Zwischenruf zu sich verziehendem verkehrspolitischen Pulverdampf nach der Wahl

Die Wahl ist vorbei, die Schlachten geschlagen, die Politik muss mit dem Ergebnis umgehen. Es ist unsere Sache nicht, das zu bewerten.

Wir sind einstweilen nur froh:

Das Auto wird nicht verboten werden, Berlin ist auch weiterhin für Autofahrende da, die U7 zum BER und/oder zum Fort Hahneberg werden nicht so schnell kommen und die Friedrichstraße … nun ja. Alle dürfen von ihren verkehrspolitischen Bäumen wieder herabsteigen, sich schütteln und dann (wieder?) sachliche parlamentarische Arbeit machen. In der Regierung, in der Opposition oder, wie im Falle der FDP, Verbänden und Vereinen, auch außerhalb des Parlaments.

Aus unserer Sicht sind die Gretchenfragen in einer zu ändernden Berliner Verkehrspolitik: „Platz“ und „Klima“.

Es ist sicher unstrittig, dass die fünfziger und sechziger Jahre im Westen (aber auch im Osten) mit ihrem Wohlstands- und Fortschrittsversprechen dem Auto als sichtbarem Ausdruck dessen sehr viel Platz einräumten. Die Stilllegung der Straßenbahn im Westen Berlins ist nur ein Zeichen dafür, wurden doch deren Flächen häufig dem motorisierten Individualverkehr (MIV) zugeschlagen. Die Stadt, das darf man wohl behaupten, wurde autogerecht bzw. machte sich auf den Weg zu diesem Ziel. Breite Straßen im Ostteil und nicht zuletzt die Stadtautobahn legen Zeugnis davon ab. Und es ist ja auch wahr: das Auto ist hinsichtlich Flexibilität und Komfort von keinem öffentlichen Verkehrsmittel dieser Welt zu schlagen. Für sicher nicht wenige drückt es auch Prestige und Status aus, was zu merkwürdigen Ausprägungen wie z. B. sehr großen SUV im Stadtverkehr führt. Und oftmals ist es nach wie vor auch das schnellste Verkehrsmittel.

Wir glauben, dass „schwarz“ (Auto) oder „weiß“ (Fahrrad, ÖPNV) nicht die relevante Fragestellung ist. Die allermeisten nutzen schon heute je nach Bedürfnis und Zweck verschiedene Verkehrsmittel. Aber es ist eben nicht jedermanns Sache, 20 km Arbeitsweg bei 0° und Nieselregen auf dem Fahrrad zurückzulegen. Vielleicht nutzt dieser Mensch aber das Rad für kürzere Strecken und fährt zur Arbeit mit den „Öffis“ und manchmal auch mit dem Auto. Oder umgekehrt. Außerhalb der „Blasen in den sozialen Netzwerken“ gibt es diesen Gegensatz oftmals gar nicht. Die Realität ist eben vielschichtig und lässt sich nicht auf ein „entweder oder“ reduzieren.

Zwang ist in einer offenen Gesellschaft kein guter Ratgeber. Und wer will es der hier angenommenen Person verdenken, wenn sie aus Buckow nicht den schlingernden und vollen Gelenkbus nimmt, sondern gleich das vor der Tür stehende Auto? Wer lässt am Bahnhof Hermannstraße das Auto stehen und fährt mit der U8 oder der Ringbahn weiter, wenn er oder sie dort gar keinen Parkplatz findet? U8? Das ist die Linie, von der der stellvertretende IGEB-Vorsitzende und Sprecher, Jens Wieseke, sagt, er benutze sie nicht mehr. Zu dreckig, zu heruntergekommen, zu (gefühlt) unsicher.

Gerade dieses Beispiel zeigt: das offenbar wahlentscheidende Thema „Sicherheit und Ordnung“ spielt auch in manche Aspekte der Verkehrspolitik hinein. Alles hängt eben mit allem zusammen.

Zurück zur Gretchenfrage „Platz“ und „Klima“:

Wer als MIV-Nutzender für sich entscheidet, „Klima“ und „Platzverteilung im öffentlichen Raum“ sind keine relevanten Themen, im Gegenteil, es soll alles so bleiben wie es ist, ist aus der Diskussion 'raus. Für diese oder diesen muss jede Busspur, jede Ampelbevorrechtigung des Busses oder der Straßenbahn, jeder Radfahrstreifen und auch jede Straßenbahn-Neubaustrecke eine Zumutung sein, weil es dem MIV Platz wegnimmt und ihn verlangsamt.

Wer aber klima- und/oder stadtpolitisch anders denkt oder wenigstens ins Grübeln kommt, der oder die müsste zu dem Ergebnis kommen, dass Verkehr in der Stadt effizienter, vernünftiger organisiert werden kann. Dass die Entwicklungen der letzten sechzig Jahre eigentlich so nicht fortgeschrieben werden können. Und übrigens: nein, das Weltklima wird nicht in Berlin gerettet, aber wir können schon etwas dazu beitragen, unseren überproportionalen Energieverbrauch zu reduzieren. Übrigens, wer sagt, dass das alles immer nur „Verzicht“ bedeutet? Vielleicht gewinnen wir auch etwas.

Es ist also verkehrspolitisch etwas zu verhandeln, zu entscheiden. Die aufgeheizte Debatte im Wahlkampf zeigte: es geht um Emotionen.

Wie aber bekommen wir Sachlichkeit in die verkehrspolitische Diskussion? Hier ein paar – nicht erschöpfende

– Vorschläge:

  • Zwang ist kein Ratgeber. Jede, jeder soll sich grundsätzlich so fortbewegen können, wie er oder sie will.
  • Wir lernen wieder, ein Stück weit respekt- und rücksichtsvoll miteinander umzugehen. Dies betrifft alle am Verkehr Teilnehmenden. Also jede, jeden von uns.
  • Ein Mindeststandard an Benehmen muss auch im öffentlichen Verkehr durchgesetzt werden. Klingt total altbacken – zugegeben. Aber mehrere Obdachlose (mit entsprechendem olfaktorischen Faktor) in einem Zug der S7 am Sonntagvormittag, dazu die obligatorischen Bettler und ein laut Musik hörender Fahrgast tragen nicht zwingend zur Attraktivität bei. Übrigens auch nicht, ein mitten am Tag an einen ausfahrenden Zug urinierender junger Mann.
  • Die Bevorrechtigung des MIV der letzten sechzig, siebzig Jahre wird sukzessive reduziert, der öffentliche Verkehr wie auch Rad- und Fußverkehr bekommen Flächen zurück.
  • Dies führt zu Konflikten, die ausgehalten werden müssen.
  • Wir hören einander zu. Alter Grundsatz: „Auch der andere könnte Recht haben.“ Gute Kommunikation nimmt Gegenargumente ernst.
  • Maßnahmen müssen klug kommuniziert und erläutert werden. Im besten Falle werden die Menschen „mitgenommen“. Gute Kommunikation spielt nicht gegeneinander aus, predigt nicht den Verzicht, sondern macht Lust auf etwas Neues, ist zukunftsgerichtet.
  • Wenn es herausragende Gründe gibt, können auch Einzelmaßnahmen wie „A 100“ oder „TVO“ realisiert werden. Insgesamt liegt der Schwerpunkt aber auf den anderen Verkehrsarten, was klar kommuniziert und gelebt werden muss.
  • Es gilt der Grundsatz: ein attraktives Angebot ist die Voraussetzung, dass Menschen aus dem Auto umsteigen.
  • Das alles kostet Geld. Wir verlassen hier mal kurz die seriöse Ebene und sagen: muss halt finanziert werden!
  • Innerhalb des öffentlichen Verkehrs werden die Diskussionen „entideologisiert“. Es gibt Aufgaben, für die die U-Bahn prädestiniert ist, es gibt Aufgaben, bei denen ist es die Straßenbahn. Und manchmal auch der Bus. Die U-Bahn ist für große Verkehrsströme geeignet (z. B. Steglitz-Lankwitz), die Straßenbahn für mittlere. Fährt sie auf eigenem Gleiskörper, ist sie ein schnelles, komfortables und preiswertes Verkehrsmittel, das seine Stärken bei entsprechender Nachfrage eher auf Tangentialen oder einer mittleren Großstadt wie Spandau zur schnellen Flächenerschließung ausspielt.
  • Es muss aufhören, dass der Berliner Nahverkehr schlecht geredet wird. Weder bricht gerade in der Innenstadt der (öffentliche) Verkehr zusammen noch ist außerhalb des S-Bahn-Rings alles schlecht. Manche Kommune andernorts wird mit einem gewissen Unverständnis draufschauen, wie in Berlin Diskussionen geführt werden. Die U2 ist ärgerlich, sehr ärgerlich. Und dass nun zur gleichen Zeit der Nord-Süd-Tunnel gesperrt war, war mindestens unglücklich. Aber bricht deswegen nun der Verkehr in der City zusammen? Stand er gar vor einem Kollaps wie zu lesen war? Wohl kaum.
  • Die Berliner U-Bahn ist bis zu 120 Jahre alt; manche Tunnel wurden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gebaut, manche in der Euphorie der 60er. Aber auch die U7 nach Spandau ist bald vierzig Jahre alt. Gibt es also eine ehrliche Bestandsaufnahme über den Sanierungsrückstau jetzt und in den kommenden Jahren? Ist ein 5-Minuten-Takt im Berufsverkehr auf wichtigen Innenstadtlinien ein adäquates Angebot? Zwingt uns der Personalmangel nicht, verstärkt über Automatisierung nachzudenken anstatt über eine Strecke zum Fort Hahneberg?

Man könnte dies fortsetzen und erweitern; Ihnen fallen sicher noch sehr viel mehr Dinge ein.

Der Text ist ein Appell. Ein Appell, einen verkehrspolitischen Plan zu entwickeln, der möglichst weite Teile der Bevölkerung mitnimmt, der Maßnahmen erklärt, der Hierarchien bildet und die jeweiligen Verkehrsträger dort einsetzt, wo sie ihre Stärken haben, der Kompromisse zulässt und anerkennt, es gibt kein „schwarz“ oder „weiß“.

Ist das schon „Bullerbü“, eine Utopie? Oder muss man von den gerade die verschiedensten Konstellationen sondierenden Parteien nicht verlangen, ja fordern, sich in einem stadtpolitisch wichtigen Themenfeld Mühe zu geben? Verlangen, die „Die-gegen-die-Mentalität“ endlich hinter sich zu lassen und einen strukturierten, klaren Plan für die Mobilitätsentwicklung der kommenden Jahre zu entwerfen. Das ist Politik.


VIV-Shortcut 2: Over the bridge, Flughafen Tempelhof, Sommerstraße und Verkehrspolitik im Wahlkampf

„Wir geben bekannt“ steht über den teils großformatigen Anzeigen der Senatsverkehrsverwaltung (wir kürzen die korrekte Bezeichnung einfach mal ab), wenn Planfeststellungsunterlagen ausgelegt werden. An was erinnert das nur? An Obrigkeiten?

Der Denkmalschutz wird mit Abriss eingeleitet. „Over the bridge“ hieß es oftmals im Funk, wenn die PilotInnen die Anweisung vom Tower erhielten, das Tegeler Terminal „hintenrum“, also über die Zufahrtsstraße von der Autobahn, zu umrunden. Nun wurde die Brücke abgerissen. War es nicht so, dass der Flughafen Tegel ein unter Denkmalschutz stehendes Gesamtensemble ist, das von dem kürzlich verstorbenen Meinhard von Gerkan bis in das letzte Detail mit wiederkehrenden geometrischen Formen und Figuren gestaltet wurde? Selbst die Fußgängertunnel unter der Brücke wiesen diese Formensprache auf.

Apropos Meinhard von Gerkan, der auch den Berliner Hauptbahnhof entwarf: wir haben im Tagesspiegel schon lange nichts mehr über das fehlende Bahnsteigdach gelesen, das die Passagiere der 1. Klasse im Regen stehen lasse (außer bei geänderter Wagenreihung natürlich). „kt“, übernehmen Sie! Und alles Gute zum bevorstehenden runden Geburtstag.

Zurück zu alten Flughäfen: In diesem Jahr wird der Flughafen Tempelhof (Sie wissen schon: „die Mutter aller …“) 15 Jahre geschlossen sein. Abseits der Freifläche: Was wird aus der Immobilie und dem Flugsteig? Ein „zweites ICC“? Ein „so da“-Bauwerk? Warum ist das Alliiertenmuseum noch immer nicht umgezogen? Warum findet sich dort nicht längst die Luftfahrtabteilung des Technikmuseums? Wir wissen es nicht. Aber: Party und Event gehen immer!

Sommerstraßen plant der aktuelle Senat – Nebenstraßen(abschnitte) sollen von Mai bis Oktober für den Autoverkehr gesperrt werden. Kann man machen. Man kann aber auch endlich mal U-Bahn-, Straßenbahn- und S-Bahnstrecken aus- und neu bauen. Geht übrigens auch ganz schnell mit kleineren Maßnahmen: Busspuren, Ampelbevorrechtigungen für Bus und Straßenbahn (re)aktivieren. Das würde schon mal helfen.

Fällt uns was zur Friedrichstraße ein? Dröhnendes Schweigen.

Am 27. Januar machten die GRÜNEN eine Veranstaltung zur Verkehrswende in Berlin und Brandenburg. Veranstaltungsort war der „Weiße Elefant“. Passt irgendwie. Sofern man einen Pop-Up-Radweg nicht schon als Verkehrswende definiert.

Ach ja, noch ist Wahlkampf. Ja, auf ein Plakat muss ein knackiger Slogan. Aber gibt es zur Verkehrspolitik einer Volkspartei wirklich nichts Kreativeres als „Berlin, lass dir das Auto nicht verbieten“?

Bahnhof Griebnitzsee, „Der Zug S7 nach Ahrensfelde, Abfahrt 9:07 Uhr, verspätet sich um wenige Minuten“. Aus wenigen Minuten werden fünfzehn. Die meisten FahrgastanwärterInnen nehmen es regungslos hin, nur wenige murren. Eine Dame, tägliche Pendlerin, sagt: „Ich habe es so satt. Ich will kein billiges oder kostenloses Ticket, ich will pünktliche und zuverlässige Züge.“

Für eine pünktlichere und zuverlässigere S-Bahn braucht es auf den betreffenden Außenästen auch (wieder!) das zweite Gleis. Aber bis es soweit ist, lassen wir uns das Auto nicht verbieten … Das meint nicht, dass wir nun alle im Auto sitzen sollen, sondern dass Verkehrspolitik leider so oft am Fahrgastnutzen vorbei plant. Klar, ein rotes Band einer Neubaustrecke durchzuschneiden, ist ja auch schöner als ein schnödes, zweites Gleis in Betrieb zu nehmen.

Apropos „Verkehrspolitik im Wahlkampf“: Sind Sie auch erschüttert? Da wird schwarz-weiß gemalt (das Nicht-Verbieten hatten wir schon), ein paar Hundert Meter Straße ad hoc gesperrt, eine Milliarden-U- Bahn für Schönefeld geplant oder auch eine zum Fort Hahneberg in Staaken. Alles wird grundsätzlich, da werden wahlweise Rad- oder Autofahrende schikaniert und drangsaliert, eben „schwarz“ oder „weiß“. Was man feststellen muss: der ÖPNV und seine Fahrgäste kommen mehr und mehr nicht vor. Verkehrswende wird reduziert auf „Auto“ versus „Fahrrad“. Keine gute Entwicklung.

Und wir müssen uns korrigieren: im letzten „Zwischenruf“ zur Stammbahn sprachen wir von „der“ Bürgerinitiative. Das war falsch. Richtig wäre gewesen eine“ Bürgerinitiative. Denn es gibt natürlich noch die „BI Stammbahn“, die sich seit langer Zeit für den Wiederaufbau der historischen Strecke einsetzt. Entschuldigung!

Die andere Bürgerinitiative schrieb uns: „Schämt Euch!“. Wofür eigentlich?

Und am Ende noch was Nettes: „Willkommen in der RB23 auf der Fahrt zum Fluchhafen über Charlottenburch, Zoo, Hauptbahnhof, Alex, Ostkreuz zum Fluchhafen. Und fünf Minuten ham'wa ooch schon auf der Uhr.“ Sehr schön.


Ein Zwischenruf zur Stammbahn (mal wieder)

„Finanzierung für Vorplanung der Potsdamer Stammbahn gesichert“ meldete der VBB zwischen den Jahren. Gut so!

Für die sog. Leistungsphase II stehen 26 Mio. Euro bereitet, der Zeithorizont erstreckt sich bis 2026. Es folgen dann die Leistungsphasen III (Entwurfsplanung) und IV (Genehmigungsplanung), auf deren Basis dann die Planfeststellung erfolgen könnte. Wenn, ja wenn … nicht geklagt würde.

Die Bürgerinitiative in Kleinmachnow kämpft ja schon seit Jahren gegen die Reaktivierung der Potsdamer Stammbahn, seit einiger Zeit aber nicht mehr „gegen“, sondern „für“. Nämlich für das vorhandene Gleis der Wannseebahn, was ja betriebsbereit sei. Damit sei das Vorhaben viel, viel günstiger zu realisieren und Waldflächen, selbstverständlich als ökologisch wertvoll geadelt, würden in Zeiten des Klimawandels geschützt. Als Beobachtender ist man sich nur nicht so sicher, ob dabei Selbstlosigkeit „für die gute Sache“ im Raume steht oder eben einfach doch nur – durchaus nachvollziehbare – Egoismen.

Bei der Potsdamer Stammbahn geht es aber nicht nur um den verkehrlichen Nutzen an sich (Europarc, Kleinmachnow, Regionalbahnanbindung des Berliner Südwestens, …), sondern auch um eine leistungsfähige zweite Achse Potsdam – Berlin neben der Strecke über Wannsee und Grunewald (Wetzlarer Bahn). Und was Redundanz der Infrastruktur bedeutet, haben wochenlang all jene erfahren dürfen, die infolge des Unfalls zwischen Wolfsburg und Hannover in gemütlicher Fahrt die Altmark und die Lüneburger Heide an sich vorbeiziehen sahen. Eben, weil keine leistungsfähige Ausweichmöglichkeit zur Verfügung stand.

Nun liegt es an den Verantwortlichen (und Verbänden!), klug zu kommunizieren, Ängste zu nehmen. Klug, weil die Medien die „Wannseebahn-Idee“ natürlich aufgriffen. Ganz nach dem Motto „Warum teuer, wenn es auch billig geht?“. Und Ängste dahingehend nehmen, dass eben keine Öl-Züge den direkten Weg durch den Nord-Süd-Tunnel oder den Innenring nehmen, um nach Schwedt zu „donnern“. Und vielleicht nimmt man auch Ängste dadurch, dass die Stammbahn nicht wie gerade die Dresdner Bahn hinter meterhohen Lärmschutzwandtunneln durch die Stadt geführt wird, sondern sich städtebaulich mit gestalterischem Anspruch der Verkehrsstationen einfügt. Moderne Regionalzüge sind nämlich leise.

Was aufhorchen lässt: Im Auftrag des VBB wird parallel zur Vorplanung eine überschlägige [!] Nutzen-Kosten-Bewertung beauftragt, um die Wirtschaftlichkeit der Zielvarianten zu prüfen. Zwei Schritte vor, einer zurück?

Wie dem auch sei: Minister Beermann aus Brandenburg sagt, 2038, der 200-jährige Geburtstag der Strecke wäre ein gutes Datum für die Inbetriebnahme. Spötter sprechen von 2045. Dann wäre sie 100 Jahre stillgelegt.


Ein Zwischenruf zum NES

Mit großer medialer Begleitung feierten sich der VBB und die beiden Länder Berlin/Brandenburg für das neue Netz Elbe-Spree, eben NES. Und es klang ja auch toll: neue oder modernisierte, neuwertige Fahrzeuge auf teils neuen Linien. Als Highlight war wohl der von der ODEG übernommene RE1 gedacht: im Berufsverkehr in etwa alle 20 Minuten im S-Bahn-Takt von Brandenburg an der Havel nach Frankfurt (Oder). Und das quer durch Berlin.

Und nun stellt man fest: das funktioniert nicht. Brandenburgs Ministerpräsident ist „empört“, die Berliner Politik wohl auch und Fahrgastverbände fordern, es müsse sich sofort ändern. Die Wellen schlagen hoch, schnell ist von „Chaos“ die Rede. Wie das heutzutage halt so ist …

Die Berliner Stadtbahn ist längst als überlastet erklärt. Dass das nicht nur eine bürokratische Feststellung ist, kann man jetzt live erleben. Eisenbahn-Experten, also nicht selbst ernannte, sondern echte, wiesen schon frühzeitig darauf hin: das funktioniert nicht. Eine ausgelastete Infrastruktur mit leider unpünktlichem Fernverkehr, der zudem natürlich eine andere Haltepolitik als der Regionalverkehr hat (die Züge bzw. Trassen laufen also nicht gleichmäßig) – all das führt schnell zu Verspätungen und „Stau“. Da kommen die Bauarbeiten im Ostbahnhof höchstens noch „on top“.

Übrigens, wie man hört ist die ODEG nicht ganz unfroh, soll sie doch aktuell gar nicht die Personale haben, um alle RE1-Umläufe zu besetzen.

Diese Fachleute vertreten eine unschöne Erkenntnis: in ein überlastetes Netz bzw. überlastete Knoten gehören nicht mehr Züge, sondern allenfalls längere. So das infrastrukturell machbar ist.

Da stellt sich natürlich die Frage: Wurde das „der Politik“ und/oder dem Aufgabenträger nicht vermittelt? Augen zu und durch? Oder auf gut kölsch: „Et hätt noch emmer joot jejange“. Wir wissen es nicht.

Vermutlich wird es sich irgendwann „einrütteln“, aber eben anfällig bleiben. Von außen betrachtet meinen wir, dass hier eine ehrliche und klare Anamnese („was geht und was geht nicht?“) geholfen hätte.

Natürlich ist es für die Politik schön, „NES“ zu feiern oder gar ein Band durchzuschneiden. Für die Fahrgäste effektiv wären aber Maßnahmen mit dem Appeal von trocken Brot: z. B. kürzere Blockabstände, Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik oder wieder mehr Weichenverbindungen zur Erhöhung der Flexibilität. Die Fachleute unter Ihnen mögen die Liste noch verlängern.

Und in der mittleren bis langen Frist: wir müssen bauen und das vorhandene Netz sanieren, wenn wir mehr Verkehr auf der Schiene abwickeln wollen. Hier muss Gemeinwohl vor Einzelinteresse gehen, das ist leider so.

Am Ende des Jahres:

Wir danken Ihnen für die Treue zum „Zwischenruf“ und wünschen Ihnen und Ihren Familien schöne und friedliche Weihnachten sowie einen guten Start in ein neues, hoffentlich gesundes 2023!

Bleiben Sie uns bitte gewogen, gerne auch kritisch.

Und wer noch nach guten, aber machbaren Vorsätzen sucht: VIV freut sich über neue Mitglieder, neue Impulse, neue Ideen! Wobei wir weiterhin versuchen wollen, nicht die „Headline“ zu kreieren, sondern möglichst frei von Besserwisserei die Dinge zu hinterfragen. Kritisch, ja, aber sachlich und fair.


... fast schon ein Nachruf auf die Maskenpflicht im ÖPNV

Im letzten „Zwischenruf“ haben wir uns abwägend mit der Maskenpflicht im ÖPNV beschäftigt. Nun machen es zwei Bundesländer kurzfristig anders.

Ein Beispiel:

Fahren Sie zwischen Nürnberg und München im Fernverkehr, müssen Sie Maske tragen. Nehmen Sie den München-Nürnberg-Express, ein Produkt des Nahverkehrs, müssen Sie es nicht.

In unserer Region kann es noch verrückter werden:

Sie stehen am kommenden Montag um 07:00 Uhr in Magdeburg Hbf und wollen nach Berlin Hbf. Um 07:03 Uhr fährt der IC 2237 der DB AG. In diesem Zug tragen Sie Maske – es ist ein Zug des Fernverkehrs. Um 07:12 Uhr fährt der RE1 (dann) der ODEG. In diesem Zug fahren Sie bis Genthin, wenn Sie mögen, ohne Maske. Während der achtminütigen Fahrt nach Wusterwitz, dem ersten Ort in Brandenburg, wird Sie das Zugbegleitpersonal informieren, dass in Brandenburg und Berlin „die Verpflichtung zum Tragen ...“ – aber das kennen Sie ja. Manchmal treibt Föderalismus eben eigenartige Blüten. Verstehen muss man die Sinnhaftigkeit nicht. Und so wird die Quote derjenigen, die sich an die Pflicht halten, weiter abnehmen.

Apropos „verrückt“:

Laut Abfrage von gestern Vormittag kostete die Fahrt im IC 2237, Abfahrt 07:03 Uhr, 2. Klasse ohne BahnCard nach Berlin, 17,90 €. Sie sind um 08:28 Uhr nach 85 Minuten am Berliner Hauptbahnhof. Der um 07:12 Uhr, also 9 Minuten später, fahrende RE1 kostete 31,80 € und Sie benötigen bis Berlin Hbf 102 Minuten. Für knapp 80 % mehr Fahrpreis bekommen Sie 20 % mehr Fahrzeit. Oder Sie nehmen um 07:10 Uhr die S1, fahren nach Stendal und nehmen von dort den ICE. Dann sind Sie ebenfalls nach 102 Minuten am Berliner Hauptbahnhof, zahlen aber anstatt 31,80 € im Regio nur 19,90 €.

Fachleute können das jetzt logisch erklären. Für den geneigten Laien, vielleicht sogar nur Gelegenheitsfahrgast, nun ja, schwer verständlich. Übrigens, bei der letztgenannten Verbindung fahren Sie bis Stendal ohne, dann mit ... aber ach, lassen wir das.

Wir wünschen Ihnen eine schöne Adventszeit.


VIV-Veranstaltung am 22.11.2022: „Warum dauert das alles so lange?“ – per Zoom

Die meisten von uns werden nicht bestreiten, dass die akuten Krisen eines zeigen: Wir müssen uns Land und Gesellschaft auf neue Verhältnisse einstellen. Die schnellen Änderungen des Klimas weisen darauf hin, dass es ein „Weiter so“ nicht geben kann.

Dazu gehört auch die Änderung des Mobilitätsverhaltens. Wir sind also (fast) alle betroffen. Gleichzeitig stellen wir fest: es geht mit sichtbaren Ergebnissen nicht voran, zumindest nicht schnell.

  • Der massive Ausbau von Ladeinfrastruktur für den politisch gewollten Umstieg auf elektrische Kraftfahrzeuge: stockt
  • Der Ausbau von Schieneninfrastruktur: stockt
  • Selbst einfachste Maßnahmen wie das Anlegen von Radschnellwegen, Busspuren oder Ampelvorrangschaltungen für Bus und Straßenbahn: stocken

Nur: Warum ist das so?

Der Beantwortung dieser Frage näherten wir uns am 22.11.2022 um 18:30 Uhr in unserer Online-VeranstaltungUnser Gast, Lasse Hansen, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin fand auf einfache Fragen einfache Antworten, die es verständlich machten, warum beispielsweise zwischen der politischen Entscheidung „Wiederaufbau der Siemensbahn“ und Inbetriebnahme gut zehn Jahre vergangen sein werden (von der „Dresdner Bahn“ oder der „Potsdamer Stammbahn“ gar nicht zu reden). Nach einer kurzen Einführung in die Planungsprozesse diskutierten wir gemeinsam mit unseren Veranstaltungsteilnehmern, indem wir dazu den Chat öffneten.


Zwischenruf zur Maskenpflicht im ÖPNV

Die Maskenpflicht.

Wir möchten hier nicht das Für und Wider, Sinn oder Unsinn diskutieren. Um es klar zu sagen: der Autor ist dafür und begreift es nicht nur als Eigenschutz, sondern auch als Rücksichtnahme auf und Respekt vor anderen Menschen. Ob im Supermarkt oder einem öffentlichen Verkehrsmittel. Man kann das anders sehen.

Aber:

Sie kommen aus einem engen Club, trafen viele Fremde und fahren nachts mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nachhause. Sie waren Samstagvormittag in einem gut gefüllten Einkaufszentrum und fahren danach nachhause. Oder Sie kommen aus dem Urlaub, saßen in einem ausgebuchten Flugzeug und fahren anschließend vom BER mit Regio oder S-Bahn nachhause.

Club, Einkaufszentrum und Flugzeug ist gemeinsam, dass Sie dort zurzeit keine Maske tragen müssen. In der anschließenden Fahrt nachhause, womöglich in einem halbwegs leeren Verkehrsmittel, müssen Sie es.

Ist das zu verstehen? Schwer.

Im Allgemeinen nehmen die meisten die Regel hin und halten sich an die Pflicht. Einige aber nicht. Und das birgt in einer sowieso aufgeheizten gesellschaftlichen Atmosphäre natürlich Konfliktpotential, denn um das Maske-Tragen werden sich wohl die wenigsten von uns reißen: „Wieso ich, wenn der/die andere das nicht tut?“

Wir verallgemeinern nicht gerne, aber „die Politik“ macht sich hier einen schlanken Fuß und wälzt die Durchsetzung der Regel auf die Verkehrsunternehmen ab. Jene haben also nun den „schwarzen Peter“ und dürfen, nein, müssten eigentlich für die Durchsetzung sorgen. Da mag es Einsichtige geben, mancher wird aussteigen und einfach den nächsten Zug nehmen oder, schlimmster Fall, es kommt zu verbalen oder gar körperlichen Auseinandersetzungen.

Deswegen kommen wir hier zu einem Schluss, der zumindest dem Autor nicht gefällt: Wir müssen anerkennen, dass wir die Regel im Berliner ÖPNV nicht durchsetzen können. Dies sollte dann auch so gesagt und praktiziert werden.

Wer sich (und andere) schützen will, trage eben Maske. Wer sich einer latenten Gefahr in einer vollen und stickigen U-Bahn nicht aussetzen möchte, fährt eben (Lasten-)Fahrrad oder Auto. So er oder sie sich letzteres noch leisten kann oder will.

Freundliche Grüße
Michael Rothe


Zwischenruf zu einem Berliner „hidden champion“

Denkt man an den Bau von Schienenfahrzeugen in Deutschland, fallen dem einen oder anderen sicher noch die „üblichen Verdächtigen“ ein, unabhängig davon, ob sie noch am Markt sind oder nicht: die Klassiker Borsig, Schwartzkopff, Orenstein & Koppel und WUMAG, später dann AEG, Siemens, Krauss-Maffei MaK und ABB oder AdTranz und Bombardier (die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Im Berliner Raum waren es für den Ostteil die Lokomotivbau Elektrotechnische Werke (LEW) „Hans Beimler“ in Hennigsdorf (heutige S-Bahnbaureihe 485, Kleinprofil-U-Bahnbaureihe „G“) und für den Westteil die „Waggon-Union“ in der Reinickendorfer Miraustraße, die so etwas wie der Hoflieferant der BVG war.

Dem Standort in Hennigsdorf, jetzt unter der Ägide von Alstom, geht es nach mehreren Eigentumswechseln scheinbar mehr schlecht als recht und die Waggon-Union als eigenständiges Unternehmen gibt es schon lange nicht mehr. Sie wurde von Bombardier übernommen, der Standort von der Miraustraße nach Wilhelmsruh verlegt.

Und genau hier hat sich in den letzten zwanzig Jahren in Berlin Seltenes ereignet: die erfolgreiche Entwicklung und Expansion eines Unternehmens des Maschinenbaus, in diesem Fall Schienenahrzeuge. Die Rede ist von der Schweizer Firma STADLER, die hier erfolgreich Fahrzeuge baut. Was dereinst mit kleinen Triebwagen begann, endet aktuell mit Zügen des Hochgeschwindigkeitsverkehrs (z. B. der „Giruno“ für die SBB) und der sechsachsigen Hybridlokomotive „Eurodual“ (für den Betrieb mit Diesel und mit Oberleitung), die mit deutlich über 100 t kein Leichtgewicht ist. Beide Produkte werden zwar nicht in Berlin gebaut, dafür aber die neue Berliner S-Bahnbaureihe 483/484, von der bereits etliche Exemplare auf den Linien S8, S46, S47 und demnächst S41/S42 in Betrieb sind.

Der VIV hatte dieser Tage die Gelegenheit, die Produktion ansehen zu dürfen und konnte feststellen, dass die Produktion der vierteiligen Baureihe 484 bei den laufenden Nummern um die fünfzig angekommen ist und auch die Prototypen der neuen Berliner U-Bahnen vom Typ J/JK ihrer Fertigstellung entgegensehen (hoffen wir aus Fahrgastsicht, dass sie innen weniger verbaut wirken als ihre Vorgänger IK aus gleichem Hause). Deutlich über 1.000 Mitarbeitende hat das Werk inzwischen und Geschäftsführer Jure Mikolčić ist sichtlich stolz auf den Spirit eines mittelständischen Unternehmens, das flexibel agieren könne und auch unter den gegebenen schwierigen Umständen (Stichworte „Lieferketten“, „Preisentwicklung“, …) bei Problemen nicht die Schuldfrage in den Mittelpunkt stelle, sondern nach Lösungen im Sinne des Kunden suche. Offenbar überzeugt dieses Konzept viele Eisenbahnverkehrsunternehmen.

In einer Region, die mit produzierenden, innovativen Unternehmen nicht eben reich gesegnet ist und die nach wie vor jeden qualifizierten Arbeitsplatz gebrauchen kann, ist so eine Ansiedlung ganz sicher ein Leuchtturm. Nur mit Start-ups, Tourismus, Kultur und Politik/Verwaltung/Verbänden geht es eben auch nicht. Und deswegen wünschen wir dem STADLER-Team weiterhin viel Erfolg!


VIV - Besuch bei STADLER

Denkt man an den Bau von Schienenfahrzeugen in Deutschland, fallen dem einen oder anderen sicher noch die „üblichen Verdächtigen“ ein, unabhängig davon, ob sie noch am Markt sind oder nicht: die Klassiker Borsig, Schwartzkopff, Orenstein & Koppel und WUMAG, später dann AEG, Siemens, Krauss-Maffei MaK und ABB oder AdTranz und Bombardier (die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Im Berliner Raum waren es für den Ostteil die Lokomotivbau Elektrotechnische Werke (LEW) „Hans Beimler“ in Hennigsdorf (heutige S-Bahnbaureihe 485, Kleinprofil-U-Bahnbaureihe „G“) und für den Westteil die „Waggon-Union“ in der Reinickendorfer Miraustraße, die so etwas wie der Hoflieferant der BVG war.

Dem Standort in Hennigsdorf, jetzt unter der Ägide von Alstom, geht es nach mehreren Eigentumswechseln scheinbar mehr schlecht als recht und die Waggon-Union als eigenständiges Unternehmen gibt es schon lange nicht mehr. Sie wurde von Bombardier übernommen, der Standort von der Miraustraße nach Wilhelmsruh verlegt.

Und genau hier hat sich in den letzten zwanzig Jahren in Berlin Seltenes ereignet: die erfolgreiche Entwicklung und Expansion eines Unternehmens des Maschinenbaus, in diesem Fall Schienenahrzeuge. Die Rede ist von der Schweizer Firma STADLER, die hier erfolgreich Fahrzeuge baut. Was dereinst mit kleinen Triebwagen begann, endet aktuell mit Zügen des Hochgeschwindigkeitsverkehrs (z. B. der „Giruno“ für die SBB) und der sechsachsigen Hybridlokomotive „Eurodual“ (für den Betrieb mit Diesel und mit Oberleitung), die mit deutlich über 100 t kein Leichtgewicht ist. Beide Produkte werden zwar nicht in Berlin gebaut, dafür aber die neue Berliner S-Bahnbaureihe 483/484, von der bereits etliche Exemplare auf den Linien S8, S46, S47 und demnächst S41/S42 in Betrieb sind.

Der VIV hatte dieser Tage die Gelegenheit, die Produktion ansehen zu dürfen und konnte feststellen, dass die Produktion der vierteiligen Baureihe 484 bei den laufenden Nummern um die fünfzig angekommen ist und auch die Prototypen der neuen Berliner U-Bahnen vom Typ J/JK ihrer Fertigstellung entgegensehen (hoffen wir aus Fahrgastsicht, dass sie innen weniger verbaut wirken als ihre Vorgänger IK aus gleichem Hause). Deutlich über 1.000 Mitarbeitende hat das Werk inzwischen und Geschäftsführer Jure Mikolčić ist sichtlich stolz auf den Spirit eines mittelständischen Unternehmens, das flexibel agieren könne und auch unter den gegebenen schwierigen Umständen (Stichworte „Lieferketten“, „Preisentwicklung“, …) bei Problemen nicht die Schuldfrage in den Mittelpunkt stelle, sondern nach Lösungen im Sinne des Kunden suche. Offenbar überzeugt dieses Konzept viele Eisenbahnverkehrsunternehmen.

In einer Region, die mit produzierenden, innovativen Unternehmen nicht eben reich gesegnet ist und die nach wie vor jeden qualifizierten Arbeitsplatz gebrauchen kann, ist so eine Ansiedlung ganz sicher ein Leuchtturm. Nur mit Start-ups, Tourismus, Kultur und Politik/Verwaltung/Verbänden geht es eben auch nicht. Und deswegen wünschen wir dem STADLER-Team weiterhin viel Erfolg!


Zwischenruf zur verschobenen Verkehrswende

Wer von Ihnen eine BahnCard sein Eigen nennt, hat in den vergangenen Tagen eine Mail der Deutschen Bahn bekommen, die, fast möchte man sagen devot, aber doch mindestens sehr defensiv formuliert ist. Unter der Überschrift „Zeit für einen Dank“ finden sich dann Sätze wie dieser: „Vor allem möchte ich [Dr. Michael Peterson, Vorstand Personenverkehr] Ihnen sagen, dass wir daran arbeiten, unsere Zuverlässigkeit zu erhöhen. Dass es auch am Flughafen oder auf der Autobahn zu gravierenden Verzögerungen kommt, kann für uns kein Argument sein. … Deshalb bauen Bahn und Bund das hoch belastete Netz nun zum Hochleistungsnetz aus und beginnen mit einer Generalsanierung der am stärksten befahrenen Korridore ab 2024.“

Als Sofortmaßnahme wird dann unter anderem aufgeführt, dass das Reisen besser planbar gemacht würde, indem knappe Umsteigezeiten nicht mehr angeboten würden – jedenfalls wenn sie „aktuell in der Regel nicht erreicht werden.“ Nur: was heißt das? Statt 8 min nunmehr derer 68? Oder bei einem Zwei-Stunden-Takt gar 128 Minuten Umsteigezeit?

Es gibt gestandene Eisenbahner, die das als Offenbarungseid bezeichnen und den derzeitigen Zustand der Eisenbahn als sehr kritisch ansehen. Und die Schlüsse daraus ziehen, die den Verfechtern der Verkehrswende nicht gefallen können: Züge aus dem System nehmen!

Aber es ist schon wahr: der Großversuch „9 €-Ticket“ zeigte auf, dass die Grenzen der Kapazität oftmals nicht weit sind (oder hier und da überschritten wurden), der Fernverkehr boomt und in acht Jahren seine Transportleistung verdoppelt haben soll. Da bleibt für den auch wichtigen Güterverkehr nur Rang drei (aktuelle Ausnahme: Kohlezüge). Was die Kunden schmerzlich spüren, indem sich Züge auf dem überlasteten Netz stauen und deutlich zu spät beim Kunden ankommen.

Konkret hieße das, nur ein Beispiel, in unserer Region eben keinen 20-Minuten-Takt beim RE1 einzuführen, dafür aber mit längeren (und skalierbaren) Zügen zu fahren. Oder Güterverkehr aus dem Netz nehmen! Also genau das Gegenteil von dem, was wir alle seit Jahrzehnten mantraartig (aber erfolglos) wiederholen: Güter gehören auf die Bahn. Und so passt dann auch ins Bild, dass ein Experte unserer virtuellen Veranstaltung am 8. Februar sagte, die Elektrifizierung von Autobahnen sei eine gar nicht so schlechte Idee …

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde diesen Befund beunruhigend. Ein Befund, der die bisherige Gewissheit, wir könnten Güter- und Personenverkehr in relativ absehbarer Zeit nennenswert von der Straße auf die Schiene verlagern, ad absurdum führen würde. Und eine Mahnung, endlich Planungszeiten, auch mit unangenehmen Folgen für direkt Betroffene, zu verkürzen.