"Zwischenruf" … zum 29€-Ticket

Alte Vorurteile werden nun wieder bedient werden: Berlin, hoch verschuldet und Nehmerland im Finanzausgleich, leistet sich den Luxus, allen Bürgerinnen und Bürgern den ÖPNV für 0,95 € pro Tag anzubieten. Das macht 29 € im Monat und 348 € im Jahr – liegt also unterhalb des oft geforderten 365 €-Tickets.

Gestattet sei die Frage, ob uns der gesamte Berliner ÖPNV im Tarifgebiet AB wirklich nur 95 ct am Tag wert ist?

Allzumal dies "mit der Gießkanne" für alle gilt und sozial Bedürftigen weiterhin (und richtigerweise) noch günstigere Angebote gemacht werden.

Unstrittig dürfte sein, dass das Angebot im Bereich AB sehr gut ist. Ja, in Außenbezirken wird es "dünner", aber ein 20-Minuten-Takt würde in Teilen des Tarifgebiets C oder gar "auf dem Land" als purer Luxus empfunden. Und wenn wir uns ehrlich eingestehen: Das bisherige Modell "12 Meter-Bus fährt alle 20 Minuten von fünf bis Mitternacht" für eine sehr überschaubare Zahl von Fahrgästen ist Luxus. Oder, je nach Standpunkt, Daseinsvorsorge. Na klar, 20 Minuten Warten sind auf dem Weg in den Feierabend superärgerlich, wenn der BVG-Bus abfährt, weil IT-technisch zwischen den beiden Verkehrsunternehmen keine Meldung kommt: "S-Bahn kommt zwei Minuten später aus der Innenstadt. Warte!".

Aber ist für die Verkehrsmittelwahl, Stichwort Verkehrswende, wirklich der Preis das ausschlaggebende Moment? Experten würden das wohl verneinen, denn Sicherheit, Komfort und Takt werden ebenso hoch oder höher bewertet. Sofern das eigene Auto vor der Tür steht, spielen neben den harten Fakten wie Takt und Verlässlichkeit auch "soft skills" eine Rolle: Wird die Fahrt als sicher empfunden? Als komfortabel? Ist es angenehm, ein öffentliches Verkehrsmittel zu nutzen? Ist es einfach? Sehr viele, zu viele, verneinen die Antworten auf diese Fragen.

Dies liegt, soviel Ehrlichkeit muss sein, nicht nur an den Verkehrsunternehmen, sondern auch an den Nutzerinnen und Nutzern des ÖPNV: denn es sind sie, die den Müll liegenlassen, Anlagen beschmieren oder sich im Fahrzeug anderen gegenüber respektlos und/oder unhöflich benehmen. Nein, natürlich, gottseidank, nur die Wenigsten.

Es steht also zu befürchten, dass das zentrale Wahlkampfprojekt einer Regierungspartei nicht zu mehr Fahrgästen, sondern zu Einnahmeausfällen führt, die zum Erhalt des Angebots, dem Erhalt und Ausbau bestehender Anlagen eigentlich dringend gebraucht würden. Und ohne zynisch sein zu wollen: an mancher Stelle sind mehr Fahrgäste eigentlich gar nicht erwünscht. Fragen Sie mal Nutzerinnen und Nutzer der U5 oder der M4. Hier wären mehr Kapazitäten gefragt und die kosten, Sie ahnen es, Geld.

Freundliche Grüße
Michael Rothe

Download: Zwischenruf_29EUR-Ticket (PDF)


Zwischenruf zum D-Ticket

Nun ist es also da: das Deutschlandticket (D-Ticket). Alle haben alles gesagt. Und die Welt? Sie dreht sich einfach weiter. Sie haben als Interessierte auch alles gelesen und verfolgt: Den einen ist es immer noch zu teuer, andere befürchten chaotische Zustände. Manche fordern die Freigabe im IC, Verwegene sogar im ICE. Wieder andere wollen, dass es auch im Flixbus/-train gilt. Und die Hundemitnahme? Ist natürlich viel zu kompliziert geregelt. Selbstverständlich berichten Tagesschau und rbb über Schlangen vor Schaltern am 1. Mai, in denen Menschen beklagen, was alles nicht oder nicht perfekt funktioniert.

Ball - flach - halten

Es ist dieser fatale Hang in unserem Land, alles Schlechte zu sehen, der nur noch nervt. Wir sind weit davon entfernt, den Bundesverkehrsminister und seine Verkehrspolitik zu lobpreisen, aber anerkennen dürfen wir doch, dass das Nutzen von Nahverkehrsmitteln so einfach ist wie nie zuvor. Wer jemals auf einen Ticketautomaten im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr geschaut hat, weiß, was gemeint ist. Und um einmal den „Holzhammer“ zu bemühen: Menschen ein paar Hundert Kilometer weiter südöstlich hätten gerne die „Probleme“, die wir hier so häufig beklagen. Natürlich werden die touristischen Hotspot-Strecken und der „Interregio-Ersatzverkehr“, also die langlaufenden RE-Linien, beansprucht werden. Es wird auch hier und da Probleme geben. Das war damals beim „Schönes-Wochenende-Ticket“ so und natürlich auch beim 9-€-Ticket.

Abschaffen! Abschaffen?

Bahnexperte Professor Christian Böttger von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft fordert im Interview mit der Berliner Zeitung: Abschaffen! Mit der interessanten Begründung, nur der pendelnde Mittelstand profitiere davon, obwohl doch Starnberger, Königsteiner, und Bargteheider Pendelnde keiner Entlastung bedürften. Das mag sein. Dachte er da etwa an einen Flugzeuginhaber und Piloten des gehobenen Mittelstands? Mittelstand sind aber auch Polizeibeamte, Pflegekräfte, Angestellte etc. Möglicherweise denken Pendelnde aus Pinneberg, Neuperlach, Marzahn oder sonst wo etwas anders über die Kosten der Mobilität?

Ist das D-Ticket die Verkehrswende?

Die Antwort lautet: Nein. Viele Haushalte, gerade der zitierten Mittelschicht, verfügen über ein Auto, manche auch über zwei und mehr. Das Auto ist, die Autos sind da. Und da der Mensch häufig schlicht ist, rechnet er „Benzin- vs. Ticketpreis“. Das Ergebnis ist bekannt: neben der Verfügbarkeit, der Bequemlichkeit, dem Komfort und der Einfachheit kommt dann häufig noch der Preis: „Das Auto ist billiger“, was in der Regel nicht stimmt, weil die Fixkosten unter den Tisch fallen. Aber egal: vielleicht verleiten 49 €, also nicht einmal die berühmte Tankfüllung, den einen oder anderen doch dazu, anders zu rechnen und das Auto stehenzulassen oder nur bis zum nächsten Bahnhof zu fahren. Im Sinne der CO2-Reduktion hilft das alles.

Professor Böttger sagt, dass erhöhter Subventionsbedarf zu jährlichen Kosten von bis zu 5 Mrd. Euro führen könne. Geld, das für die Aufrechterhaltung des Angebots oder gar den unabdingbaren Ausbau der Infrastruktur (und der wäre Verkehrswende!) fehlen werde oder könne. An dieser Stelle hat er einen Punkt. Denn wer A (D-Ticket) sagt, muss auch B (Infrastruktur sanieren und ausbauen) sagen und vor allem: MACHEN! In diesem Sinne ist die Tarifrevolution vom gestrigen Tag ein Schritt, aber nur ein erster und einer von vielen, die noch kommen müssen, um attraktive(re) Mobilitätsangebote jenseits des Automobils zu schaffen.


Besichtigung BER Terminal 5 (ehemals Flughafen Schönefeld)

Am 26. April 2023 haben wir zur Besichtigung des BER Terminal 5 und einer Rundfahrt zur Entwicklung des Standorts BER/Schönefeld eingeladen.

Die Stadt war nach Corona wieder voller Touristen und durch die Bahnhöfe strömten die Reisenden auf dem Weg zur Familie oder in den Urlaub. Und auch der BER steigerte stetig sein Aufkommen - die Ferienzeiten am neuen Großflughafen waren wieder rekordverdächtig. Und trotzdem: Das als BER Terminal 5 bezeichnete ehemalige Gebäude des Flughafens Schönefeld wird weiterhin keine Verwendung für den regulären Flughafenbetrieb haben. Also: Schauen wir doch einfach mal auf Einladung des BER hinein! Zudem wird im Umfeld des Flughafens gebuddelt und geplant wie sonst kaum in einer anderen Region unmittelbar an der Berliner Stadtgrenze. Im Nachgang der Besichtigung werden wir auf einer kurzen Rundfahrt über die aktuellen Entwicklungen (Verkehr, Städtebau) durch die lokale Politik fachkundig informiert.

Wir trafen uns am 26. April 2023 um 17:45 Uhr vor dem Bahnhofsgebäude des Bahnhofs "BER Terminal 5" (bald "Schönefeld bei Berlin") und gingen gemeinsam zum alten Terminal des Flughafens Schönefeld. Dort nahmen uns Vertreter des BER in Empfang und ermöglichten eine Besichtigung des Gebäudes.

Nach ca. einer Stunde stiegen wir in den Bus und wurden zum BER Terminal 1/2 bzw. durch die Gemeinde Schönefeld gefahren, um die Entwicklung seit der Eröffnung des neuen Flughafens und die zukünftigen Pläne zu präsentieren. Begleitet wurden wir hier u.a. durch den Landrat des Landkreises Dahme-Spreewald, Herrn Stephan Loge. Gegen 20 Uhr wurden wir vom Bus am Bahnhof BER T5 abgesetzt.

 

 


VIV-Shortcuts 3: „Et hätt noch immer jot jejange“?

Das Kölsche Grundgesetz sagt in §3: „Et hätt noch immer jot jejange“ (Q: koeln.de) und so haben wir den Streik-Montag trotz düsterer Prognosen, Deutschland stehe für einen Tag still mit wenig Problemen überstanden. Der Zug der Zeit: Drama, Extreme, Düsternis. Aber die Welt? Sie dreht sich einfach weiter. Bevor Sie in die Tasten greifen: wir reden damit die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht klein!

Die S-Bahn Berlin Anfang Februar auf Twitter: #S85: Auf Grund verschiedener Gründe fallen bei der S85 Zugfahrten aus“. Auf Grund verschiedener Gründe – darauf muss man erstmal kommen. Und auch sie sind wieder da: die allseits beliebten Verzögerungen im Betriebsablauf“. Sollten die nicht aus der Kundeninformation verbannt werden? Das würde dann noch getoppt von: „Auf Grund verschiedener Gründe Verzögerungen im Betriebsablauf“. Dann wäre alles klar.

„Planungen für U5 deutlich weiter als gedacht“ titelt eine Tageszeitung und schreibt weiter: „Was sich bei dem für den Senat bedeutenden Megaprojekt U5 jetzt abzeichnet: Planungen und Gespräche mit Experten, Partnern, Beteiligten, Anwohnern und Klägern [!] sind viel weiter als gedacht.“ Und zu Klagen: „Offenbar gehen in Geheimgesprächen beide Seiten aufeinander zu.“ Ein Gerichtssprecher wird zitiert: „Mit Blick auf außergerichtliche Gespräche zur Beilegung der Streitigkeiten wurde das Gericht … seitens der Beteiligten gebeten, von … einer Entscheidung der Verfahren einstweilen abzusehen.“ Bullerbü? Nein, Hamburg (Zitate aus Hamburger Abendblatt vom 05.01.2023, die uns von einem überzeugten Hanseaten zur Verfügung gestellt wurden. Danke dafür!). Vielleicht schaut Berlin mal in die Nachbarstadt?

Der Tagesspiegel weiß zu berichten, dass für den Umbau der chronisch verstopften Kreuzung Ritterfelddamm/Potsdamer Chaussee an der Grenze von Kladow zu Glienicke die bundeseigene Autobahn GmbH beauftragt wurde. Aber es ist ja nicht nur die Kreuzung, sondern da sind auch die staugeplagten Wege nach Spandau: Potsdamer Chaussee und Kladower Damm/Gatower Straße. Besser wird es nicht: Potsdam erweitert sich nach Norden mit dem „Krampnitz-Projekt“, das an die Straßenbahn angeschlossen werden wird. Tja, und warum dann nicht auf eigener Trasse weiter nach Spandau? Gibt es ein besseres Anwendungsgebiet für eine moderne Stadtbahn? Das wäre ein gutes Projekt, um #Verkehrswende sichtbar zu machen. Potsdamer Busse sieht man schon heute täglich am Rathaus.

Apropos Autobahn GmbH, die um Mitarbeitende wirbt: „Mach Karriere beim Erfinder der Überholspur.“

Nun ja.

Zwischen 04.08. und 08.12.2023 gibt es bei der Fernbahn zwischen Charlottenburg und Griebnitzsee eingleisigen Betrieb und Vollsperrung. Als Gründe nennt die Bahn Gleiserneuerung und Bahnsteigerhöhung in Wannsee. Dort sind die Fernbahnsteige 76 cm hoch. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfuhren, werden nun in einem Pilotprojekt zwischen DB Netz, DB Station & Service, IB Innovations sowie der ODEG die Bahnsteige so erhöht, dass zukünftig ein niveaugleicher Einstieg in den Oberstock der Desiro HC-Züge der ODEG möglich ist. Die ersten Züge werden heute zum Umbau in die Siemens-Werke Krefeld und Wegberg- Wildenrath überführt.

 

Die Koalitionsverhandlungen neigen sich dem Ende zu. Hoffen wir, dass das Ergebnis mehr sein wird als „Ich geb' Dir die U7, wenn Du mir die A100 gibst.“ Ein Zielkonzept, wie Stadtverkehr der Zukunft unter den Bedingungen eines verschärften Klimaproblems abgewickelt werden wird, wäre schön. Ein Konzept, dass auch politisch vermittelbar ist. Man wird ja noch träumen dürfen.


Zwischenruf zu U-Bahn-Visionen

Und schon wieder ein Aufreger: Die BVG will das U-Bahnnetz langfristig um 170 km erweitern und vermehrt in die Außenbezirke bringen, um die oftmals beklagte Ungleichheit zwischen der Erschließung der Tarifgebiete A und B zu reduzieren.

Fangen wir mit dem Banalen an:

Wer heute, sagen wir mal, am U-Bahnhof Schlossstraße einsteigt und auf die U9 wartet, für den entstammen solcherlei Visionen sicher aus einer anderen Galaxie. Die Stationen in überschaubarer Zeit wieder auf Vordermann zu bringen, auf stark nachgefragten Innenstadtlinien wie der U5 nicht nur zuverlässig, sondern vielleicht auch einen dichteren Takt zu fahren, sind Ziele, die deutlich konkreter anmuten. Und weil wir mit der Verkehrswende ja Menschen überzeugen (nicht zwingen) wollen, auf das Auto zu verzichten, wären ein angenehmes, sauberes und sicheres Umfeld sowie entsprechende Fahrzeuge auch nicht das Schlechteste.

Nun ist also große Aufregung über ein 16-seitiges Papier, das in der Öffentlichkeit bis dato nicht bekannt ist. Von „Gut – Mut zu Ideen“ bis „Da hat jemand mit Buntstift ein irreales Linien-Wünsch' dir was zu Papier gebracht“, reichen die Reaktionen. Die Presse hat den Netzplan begierig aufgegriffen und alle ÖV-Interessierten arbeiten sich daran ab. Und es ist ja auch zu schön: die Stummellinie U4 vom Glambecker Ring in Marzahn bis zur Appenzeller Straße in Lichterfelde, die U3 von Düppel-Kleinmachnow bis Falkenberg. Beides übrigens Kleinprofil-Linien.

Angeblich wolle die BVG auf die Koalitionsverhandlungen einwirken und den beiden Parteien, den unterstellt wird, a) gegen die Straßenbahn und b) für das „Verbannen“ des öffentlichen Verkehrs unter die Erde zu sein, um c) den Autoverkehr nicht zu stören, eine Argumentationshilfe bieten. Wir sind also wieder grundsätzlich.

Daher wäre es hilfreich und richtig, wenn das Skizzenpapier in Gänze öffentlich diskutiert würde. Wenn bekannt würde, ob es ein wirkliches Konzept dahinter gibt? Ein Konzept, aus dem beispielsweise hervorgeht, wie sich U- und Straßenbahn ergänzen, wie mit dem sanierungsbedürftigen Bestandsnetz umgegangen wird und nicht zuletzt, wie sich dieses Zielnetz mit der Berliner S-Bahn und den „Express-S-Bahnen“ (RE, RB) sowie den Planungen hierzu vernetzt. Nur dann ist doch eine sinn- und wertvolle, verkehrspolitische Diskussion möglich.

Ein Beispiel: die U6 zur Nahariyastraße (Lichtenrade). Eine Strecke im weitesten Sinn parallel zur S2, die ehemalige Straßenbahntrasse auf dem Mittelstreifen des Lichtenrader Damms ist noch erkennbar vorhanden. Natürlich lohnt hier eine Diskussion, ob es langfristig zusätzlich einer U-Bahn bedarf, ob dereinst die Straßenbahn auf eigener Trasse von der Buckower Chaussee kommend fahren oder der Verkehr weiterhin mit dem Bus abgewickelt werden soll? Ohnehin reden wir hier über Zeiträume von mehreren Jahrzehnten.

Der Ansatz, auch einmal groß zu denken, ist vom Grunde her nicht schlecht. So braucht es de facto berlinweit Alternativen zum MIV. Viel zitierte Städte wie Paris oder Madrid, die im innerstädtischen Bereich nahezu autofreie Bereiche schaffen, investieren ebenfalls massiv in die Infrastruktur. Der Unterschied? Es wird offenbar weniger geredet, Machbarkeiten und Varianten immer und immer wieder geprüft, geredet etc., nein, es wird scheinbar einfach gemacht. So manches i2030 Projekt legt Zeugnis ab von unserem Zaudern und Zagen.

Deswegen: Macht das Skizzenpapier öffentlich! Lasst eine Diskussion zu, die substanzieller ist als irgendwelche Aufregungen bei Twitter & Co. So wie es jetzt ist, bleibt es eine Phantomdiskussion. Und lasst uns mit Hinblick auf den Klimawandel mutiger werden. Dann wird es auch was mit der Verkehrswende.


Zwischenruf zu Lobbyisten

Ein neuer Aufreger: Lobbyisten verhandeln den Berliner Koalitionsvertrag. Wir finden: Gut so!

Es wird ja nun niemand ernsthaft glauben, dass die Gefahr bestand, alle Amtsstuben Berlins würden als Ergebnis des Koalitionsvertrags, wenn sie es sowieso nicht schon sind, mit Microsoft-Produkten ausgestattet. Man kann den Monopolisten Microsoft sicher kritisch sehen und mit dem Betriebssystem Linux sowie Open-Source-Software das Monopol umgehen. Kann man machen. Ob es für eine komplexe und rückständige Verwaltung der Weg der Wahl ist, können wir nicht beurteilen. Aber der gedachte kausale Zusammenhang „Microsoft-Berlin-Chefin verschafft dem Arbeitgeber via Koalitionsverhandlungen attraktive Aufträge“ greift dann vielleicht doch ein bisschen kurz. Da gibt es für Lobbyisten sicher ganz andere Wege der Einflussnahme, z. B. durch Nutzung des Bundestagsausweises und diskreten Hintergrundgesprächen mit Abgeordneten.

Womit wir bei der Bahn wären. Die Deutsche Bahn in der Verfasstheit einer Aktengesellschaft gehört zu 100 % dem Staat, also Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, und auch dem Unterzeichner. Gewinne werden an den Bund ausgeschüttet. Etwaige Gewinne entstehen aus dem eigenwirtschaftlichen Fernverkehr, dem Verkauf von Trassen an Dritte („ODEG fährt auf Gleisen der DB Netz“) oder aus Regionalverkehr, der wiederum durch staatliche Regionalisierungsmittel finanziert wird. Gewinne entstehen möglicherweise auch durch die vielen internationalen Beteiligungen, nicht zuletzt am Logistiker Schenker. Man kann gerade die Aktivitäten jenseits des Kerngeschäfts oder auch den Zugang für Dritte auf das Netz kritisieren. Aber am Ende ist das ein Konzern „im Volkseigentum“ und übrigens Berlins wichtigster Arbeitgeber. Und nun besteht also die Gefahr, dass Alexander Kaczmarek in Koalitionsgesprächen dafür sorgt, dass die Deutsche Bahn die laufenden S-Bahn-Ausschreibungen gewinnt und andere Akteure das Nachsehen haben? Eine doch etwas plumpe Vorstellung.

Gerade die Arbeitsgruppe „Verkehr“ macht Mut; ist sie doch, neben anderen, mit Sven Heinemann (SPD) und eben jenem Alexander Kaczmarek (für die CDU) mit Persönlichkeiten besetzt, die nicht nur für das Thema „öffentlicher Verkehr“ brennen, sondern dazu auch noch nachgewiesenermaßen fachliche Expertise haben. Die „Verkehrspolitik“ sicher anders und umfassender interpretieren als nur „Friedrichstraße“, „Gräfekiez“, „Schikanieren von Autofahrenden“ oder „Pop-Up-Radwegen“. Die vielleicht ein verkehrspolitisches Ziel für Berlin in Zeiten des Klimawandels entwerfen können, das aber auch mehrheitsfähig und wenig konfrontativ ist. Das Verkehrspolitik nicht nur auf „Auto vs. Fahrrad“ reduziert, sondern auch die zahlreichen Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Nutzerinnen und Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel im Blick hat. Lobbyisten für eine mehrheitsfähige Verkehrswende eben.

Und bevor Sie die Recherche bemühen:

Alexander Kaczmarek hat vor zwanzig Jahren, 2003, den VIV gegründet und ist heute auch unser Beirat. Ohne ihn in seiner dienstlichen Funktion könnten wir Ihnen manche interessante Veranstaltung nicht anbieten. Und nein, Alexander Kaczmarek hat den Autor dieser Zeilen weder ermutigt noch gar gedrängt. Das würden sich beide auch verbitten bzw. wäre unter Niveau. Weil es eben nicht so plump ist.

Freundliche Grüße
Michael Rothe


Zwischenruf zu sich verziehendem verkehrspolitischen Pulverdampf nach der Wahl

Die Wahl ist vorbei, die Schlachten geschlagen, die Politik muss mit dem Ergebnis umgehen. Es ist unsere Sache nicht, das zu bewerten.

Wir sind einstweilen nur froh:

Das Auto wird nicht verboten werden, Berlin ist auch weiterhin für Autofahrende da, die U7 zum BER und/oder zum Fort Hahneberg werden nicht so schnell kommen und die Friedrichstraße … nun ja. Alle dürfen von ihren verkehrspolitischen Bäumen wieder herabsteigen, sich schütteln und dann (wieder?) sachliche parlamentarische Arbeit machen. In der Regierung, in der Opposition oder, wie im Falle der FDP, Verbänden und Vereinen, auch außerhalb des Parlaments.

Aus unserer Sicht sind die Gretchenfragen in einer zu ändernden Berliner Verkehrspolitik: „Platz“ und „Klima“.

Es ist sicher unstrittig, dass die fünfziger und sechziger Jahre im Westen (aber auch im Osten) mit ihrem Wohlstands- und Fortschrittsversprechen dem Auto als sichtbarem Ausdruck dessen sehr viel Platz einräumten. Die Stilllegung der Straßenbahn im Westen Berlins ist nur ein Zeichen dafür, wurden doch deren Flächen häufig dem motorisierten Individualverkehr (MIV) zugeschlagen. Die Stadt, das darf man wohl behaupten, wurde autogerecht bzw. machte sich auf den Weg zu diesem Ziel. Breite Straßen im Ostteil und nicht zuletzt die Stadtautobahn legen Zeugnis davon ab. Und es ist ja auch wahr: das Auto ist hinsichtlich Flexibilität und Komfort von keinem öffentlichen Verkehrsmittel dieser Welt zu schlagen. Für sicher nicht wenige drückt es auch Prestige und Status aus, was zu merkwürdigen Ausprägungen wie z. B. sehr großen SUV im Stadtverkehr führt. Und oftmals ist es nach wie vor auch das schnellste Verkehrsmittel.

Wir glauben, dass „schwarz“ (Auto) oder „weiß“ (Fahrrad, ÖPNV) nicht die relevante Fragestellung ist. Die allermeisten nutzen schon heute je nach Bedürfnis und Zweck verschiedene Verkehrsmittel. Aber es ist eben nicht jedermanns Sache, 20 km Arbeitsweg bei 0° und Nieselregen auf dem Fahrrad zurückzulegen. Vielleicht nutzt dieser Mensch aber das Rad für kürzere Strecken und fährt zur Arbeit mit den „Öffis“ und manchmal auch mit dem Auto. Oder umgekehrt. Außerhalb der „Blasen in den sozialen Netzwerken“ gibt es diesen Gegensatz oftmals gar nicht. Die Realität ist eben vielschichtig und lässt sich nicht auf ein „entweder oder“ reduzieren.

Zwang ist in einer offenen Gesellschaft kein guter Ratgeber. Und wer will es der hier angenommenen Person verdenken, wenn sie aus Buckow nicht den schlingernden und vollen Gelenkbus nimmt, sondern gleich das vor der Tür stehende Auto? Wer lässt am Bahnhof Hermannstraße das Auto stehen und fährt mit der U8 oder der Ringbahn weiter, wenn er oder sie dort gar keinen Parkplatz findet? U8? Das ist die Linie, von der der stellvertretende IGEB-Vorsitzende und Sprecher, Jens Wieseke, sagt, er benutze sie nicht mehr. Zu dreckig, zu heruntergekommen, zu (gefühlt) unsicher.

Gerade dieses Beispiel zeigt: das offenbar wahlentscheidende Thema „Sicherheit und Ordnung“ spielt auch in manche Aspekte der Verkehrspolitik hinein. Alles hängt eben mit allem zusammen.

Zurück zur Gretchenfrage „Platz“ und „Klima“:

Wer als MIV-Nutzender für sich entscheidet, „Klima“ und „Platzverteilung im öffentlichen Raum“ sind keine relevanten Themen, im Gegenteil, es soll alles so bleiben wie es ist, ist aus der Diskussion 'raus. Für diese oder diesen muss jede Busspur, jede Ampelbevorrechtigung des Busses oder der Straßenbahn, jeder Radfahrstreifen und auch jede Straßenbahn-Neubaustrecke eine Zumutung sein, weil es dem MIV Platz wegnimmt und ihn verlangsamt.

Wer aber klima- und/oder stadtpolitisch anders denkt oder wenigstens ins Grübeln kommt, der oder die müsste zu dem Ergebnis kommen, dass Verkehr in der Stadt effizienter, vernünftiger organisiert werden kann. Dass die Entwicklungen der letzten sechzig Jahre eigentlich so nicht fortgeschrieben werden können. Und übrigens: nein, das Weltklima wird nicht in Berlin gerettet, aber wir können schon etwas dazu beitragen, unseren überproportionalen Energieverbrauch zu reduzieren. Übrigens, wer sagt, dass das alles immer nur „Verzicht“ bedeutet? Vielleicht gewinnen wir auch etwas.

Es ist also verkehrspolitisch etwas zu verhandeln, zu entscheiden. Die aufgeheizte Debatte im Wahlkampf zeigte: es geht um Emotionen.

Wie aber bekommen wir Sachlichkeit in die verkehrspolitische Diskussion? Hier ein paar – nicht erschöpfende

– Vorschläge:

  • Zwang ist kein Ratgeber. Jede, jeder soll sich grundsätzlich so fortbewegen können, wie er oder sie will.
  • Wir lernen wieder, ein Stück weit respekt- und rücksichtsvoll miteinander umzugehen. Dies betrifft alle am Verkehr Teilnehmenden. Also jede, jeden von uns.
  • Ein Mindeststandard an Benehmen muss auch im öffentlichen Verkehr durchgesetzt werden. Klingt total altbacken – zugegeben. Aber mehrere Obdachlose (mit entsprechendem olfaktorischen Faktor) in einem Zug der S7 am Sonntagvormittag, dazu die obligatorischen Bettler und ein laut Musik hörender Fahrgast tragen nicht zwingend zur Attraktivität bei. Übrigens auch nicht, ein mitten am Tag an einen ausfahrenden Zug urinierender junger Mann.
  • Die Bevorrechtigung des MIV der letzten sechzig, siebzig Jahre wird sukzessive reduziert, der öffentliche Verkehr wie auch Rad- und Fußverkehr bekommen Flächen zurück.
  • Dies führt zu Konflikten, die ausgehalten werden müssen.
  • Wir hören einander zu. Alter Grundsatz: „Auch der andere könnte Recht haben.“ Gute Kommunikation nimmt Gegenargumente ernst.
  • Maßnahmen müssen klug kommuniziert und erläutert werden. Im besten Falle werden die Menschen „mitgenommen“. Gute Kommunikation spielt nicht gegeneinander aus, predigt nicht den Verzicht, sondern macht Lust auf etwas Neues, ist zukunftsgerichtet.
  • Wenn es herausragende Gründe gibt, können auch Einzelmaßnahmen wie „A 100“ oder „TVO“ realisiert werden. Insgesamt liegt der Schwerpunkt aber auf den anderen Verkehrsarten, was klar kommuniziert und gelebt werden muss.
  • Es gilt der Grundsatz: ein attraktives Angebot ist die Voraussetzung, dass Menschen aus dem Auto umsteigen.
  • Das alles kostet Geld. Wir verlassen hier mal kurz die seriöse Ebene und sagen: muss halt finanziert werden!
  • Innerhalb des öffentlichen Verkehrs werden die Diskussionen „entideologisiert“. Es gibt Aufgaben, für die die U-Bahn prädestiniert ist, es gibt Aufgaben, bei denen ist es die Straßenbahn. Und manchmal auch der Bus. Die U-Bahn ist für große Verkehrsströme geeignet (z. B. Steglitz-Lankwitz), die Straßenbahn für mittlere. Fährt sie auf eigenem Gleiskörper, ist sie ein schnelles, komfortables und preiswertes Verkehrsmittel, das seine Stärken bei entsprechender Nachfrage eher auf Tangentialen oder einer mittleren Großstadt wie Spandau zur schnellen Flächenerschließung ausspielt.
  • Es muss aufhören, dass der Berliner Nahverkehr schlecht geredet wird. Weder bricht gerade in der Innenstadt der (öffentliche) Verkehr zusammen noch ist außerhalb des S-Bahn-Rings alles schlecht. Manche Kommune andernorts wird mit einem gewissen Unverständnis draufschauen, wie in Berlin Diskussionen geführt werden. Die U2 ist ärgerlich, sehr ärgerlich. Und dass nun zur gleichen Zeit der Nord-Süd-Tunnel gesperrt war, war mindestens unglücklich. Aber bricht deswegen nun der Verkehr in der City zusammen? Stand er gar vor einem Kollaps wie zu lesen war? Wohl kaum.
  • Die Berliner U-Bahn ist bis zu 120 Jahre alt; manche Tunnel wurden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gebaut, manche in der Euphorie der 60er. Aber auch die U7 nach Spandau ist bald vierzig Jahre alt. Gibt es also eine ehrliche Bestandsaufnahme über den Sanierungsrückstau jetzt und in den kommenden Jahren? Ist ein 5-Minuten-Takt im Berufsverkehr auf wichtigen Innenstadtlinien ein adäquates Angebot? Zwingt uns der Personalmangel nicht, verstärkt über Automatisierung nachzudenken anstatt über eine Strecke zum Fort Hahneberg?

Man könnte dies fortsetzen und erweitern; Ihnen fallen sicher noch sehr viel mehr Dinge ein.

Der Text ist ein Appell. Ein Appell, einen verkehrspolitischen Plan zu entwickeln, der möglichst weite Teile der Bevölkerung mitnimmt, der Maßnahmen erklärt, der Hierarchien bildet und die jeweiligen Verkehrsträger dort einsetzt, wo sie ihre Stärken haben, der Kompromisse zulässt und anerkennt, es gibt kein „schwarz“ oder „weiß“.

Ist das schon „Bullerbü“, eine Utopie? Oder muss man von den gerade die verschiedensten Konstellationen sondierenden Parteien nicht verlangen, ja fordern, sich in einem stadtpolitisch wichtigen Themenfeld Mühe zu geben? Verlangen, die „Die-gegen-die-Mentalität“ endlich hinter sich zu lassen und einen strukturierten, klaren Plan für die Mobilitätsentwicklung der kommenden Jahre zu entwerfen. Das ist Politik.


VIV-Shortcut 2: Over the bridge, Flughafen Tempelhof, Sommerstraße und Verkehrspolitik im Wahlkampf

„Wir geben bekannt“ steht über den teils großformatigen Anzeigen der Senatsverkehrsverwaltung (wir kürzen die korrekte Bezeichnung einfach mal ab), wenn Planfeststellungsunterlagen ausgelegt werden. An was erinnert das nur? An Obrigkeiten?

Der Denkmalschutz wird mit Abriss eingeleitet. „Over the bridge“ hieß es oftmals im Funk, wenn die PilotInnen die Anweisung vom Tower erhielten, das Tegeler Terminal „hintenrum“, also über die Zufahrtsstraße von der Autobahn, zu umrunden. Nun wurde die Brücke abgerissen. War es nicht so, dass der Flughafen Tegel ein unter Denkmalschutz stehendes Gesamtensemble ist, das von dem kürzlich verstorbenen Meinhard von Gerkan bis in das letzte Detail mit wiederkehrenden geometrischen Formen und Figuren gestaltet wurde? Selbst die Fußgängertunnel unter der Brücke wiesen diese Formensprache auf.

Apropos Meinhard von Gerkan, der auch den Berliner Hauptbahnhof entwarf: wir haben im Tagesspiegel schon lange nichts mehr über das fehlende Bahnsteigdach gelesen, das die Passagiere der 1. Klasse im Regen stehen lasse (außer bei geänderter Wagenreihung natürlich). „kt“, übernehmen Sie! Und alles Gute zum bevorstehenden runden Geburtstag.

Zurück zu alten Flughäfen: In diesem Jahr wird der Flughafen Tempelhof (Sie wissen schon: „die Mutter aller …“) 15 Jahre geschlossen sein. Abseits der Freifläche: Was wird aus der Immobilie und dem Flugsteig? Ein „zweites ICC“? Ein „so da“-Bauwerk? Warum ist das Alliiertenmuseum noch immer nicht umgezogen? Warum findet sich dort nicht längst die Luftfahrtabteilung des Technikmuseums? Wir wissen es nicht. Aber: Party und Event gehen immer!

Sommerstraßen plant der aktuelle Senat – Nebenstraßen(abschnitte) sollen von Mai bis Oktober für den Autoverkehr gesperrt werden. Kann man machen. Man kann aber auch endlich mal U-Bahn-, Straßenbahn- und S-Bahnstrecken aus- und neu bauen. Geht übrigens auch ganz schnell mit kleineren Maßnahmen: Busspuren, Ampelbevorrechtigungen für Bus und Straßenbahn (re)aktivieren. Das würde schon mal helfen.

Fällt uns was zur Friedrichstraße ein? Dröhnendes Schweigen.

Am 27. Januar machten die GRÜNEN eine Veranstaltung zur Verkehrswende in Berlin und Brandenburg. Veranstaltungsort war der „Weiße Elefant“. Passt irgendwie. Sofern man einen Pop-Up-Radweg nicht schon als Verkehrswende definiert.

Ach ja, noch ist Wahlkampf. Ja, auf ein Plakat muss ein knackiger Slogan. Aber gibt es zur Verkehrspolitik einer Volkspartei wirklich nichts Kreativeres als „Berlin, lass dir das Auto nicht verbieten“?

Bahnhof Griebnitzsee, „Der Zug S7 nach Ahrensfelde, Abfahrt 9:07 Uhr, verspätet sich um wenige Minuten“. Aus wenigen Minuten werden fünfzehn. Die meisten FahrgastanwärterInnen nehmen es regungslos hin, nur wenige murren. Eine Dame, tägliche Pendlerin, sagt: „Ich habe es so satt. Ich will kein billiges oder kostenloses Ticket, ich will pünktliche und zuverlässige Züge.“

Für eine pünktlichere und zuverlässigere S-Bahn braucht es auf den betreffenden Außenästen auch (wieder!) das zweite Gleis. Aber bis es soweit ist, lassen wir uns das Auto nicht verbieten … Das meint nicht, dass wir nun alle im Auto sitzen sollen, sondern dass Verkehrspolitik leider so oft am Fahrgastnutzen vorbei plant. Klar, ein rotes Band einer Neubaustrecke durchzuschneiden, ist ja auch schöner als ein schnödes, zweites Gleis in Betrieb zu nehmen.

Apropos „Verkehrspolitik im Wahlkampf“: Sind Sie auch erschüttert? Da wird schwarz-weiß gemalt (das Nicht-Verbieten hatten wir schon), ein paar Hundert Meter Straße ad hoc gesperrt, eine Milliarden-U- Bahn für Schönefeld geplant oder auch eine zum Fort Hahneberg in Staaken. Alles wird grundsätzlich, da werden wahlweise Rad- oder Autofahrende schikaniert und drangsaliert, eben „schwarz“ oder „weiß“. Was man feststellen muss: der ÖPNV und seine Fahrgäste kommen mehr und mehr nicht vor. Verkehrswende wird reduziert auf „Auto“ versus „Fahrrad“. Keine gute Entwicklung.

Und wir müssen uns korrigieren: im letzten „Zwischenruf“ zur Stammbahn sprachen wir von „der“ Bürgerinitiative. Das war falsch. Richtig wäre gewesen eine“ Bürgerinitiative. Denn es gibt natürlich noch die „BI Stammbahn“, die sich seit langer Zeit für den Wiederaufbau der historischen Strecke einsetzt. Entschuldigung!

Die andere Bürgerinitiative schrieb uns: „Schämt Euch!“. Wofür eigentlich?

Und am Ende noch was Nettes: „Willkommen in der RB23 auf der Fahrt zum Fluchhafen über Charlottenburch, Zoo, Hauptbahnhof, Alex, Ostkreuz zum Fluchhafen. Und fünf Minuten ham'wa ooch schon auf der Uhr.“ Sehr schön.


Ein Zwischenruf zur Stammbahn (mal wieder)

„Finanzierung für Vorplanung der Potsdamer Stammbahn gesichert“ meldete der VBB zwischen den Jahren. Gut so!

Für die sog. Leistungsphase II stehen 26 Mio. Euro bereitet, der Zeithorizont erstreckt sich bis 2026. Es folgen dann die Leistungsphasen III (Entwurfsplanung) und IV (Genehmigungsplanung), auf deren Basis dann die Planfeststellung erfolgen könnte. Wenn, ja wenn … nicht geklagt würde.

Die Bürgerinitiative in Kleinmachnow kämpft ja schon seit Jahren gegen die Reaktivierung der Potsdamer Stammbahn, seit einiger Zeit aber nicht mehr „gegen“, sondern „für“. Nämlich für das vorhandene Gleis der Wannseebahn, was ja betriebsbereit sei. Damit sei das Vorhaben viel, viel günstiger zu realisieren und Waldflächen, selbstverständlich als ökologisch wertvoll geadelt, würden in Zeiten des Klimawandels geschützt. Als Beobachtender ist man sich nur nicht so sicher, ob dabei Selbstlosigkeit „für die gute Sache“ im Raume steht oder eben einfach doch nur – durchaus nachvollziehbare – Egoismen.

Bei der Potsdamer Stammbahn geht es aber nicht nur um den verkehrlichen Nutzen an sich (Europarc, Kleinmachnow, Regionalbahnanbindung des Berliner Südwestens, …), sondern auch um eine leistungsfähige zweite Achse Potsdam – Berlin neben der Strecke über Wannsee und Grunewald (Wetzlarer Bahn). Und was Redundanz der Infrastruktur bedeutet, haben wochenlang all jene erfahren dürfen, die infolge des Unfalls zwischen Wolfsburg und Hannover in gemütlicher Fahrt die Altmark und die Lüneburger Heide an sich vorbeiziehen sahen. Eben, weil keine leistungsfähige Ausweichmöglichkeit zur Verfügung stand.

Nun liegt es an den Verantwortlichen (und Verbänden!), klug zu kommunizieren, Ängste zu nehmen. Klug, weil die Medien die „Wannseebahn-Idee“ natürlich aufgriffen. Ganz nach dem Motto „Warum teuer, wenn es auch billig geht?“. Und Ängste dahingehend nehmen, dass eben keine Öl-Züge den direkten Weg durch den Nord-Süd-Tunnel oder den Innenring nehmen, um nach Schwedt zu „donnern“. Und vielleicht nimmt man auch Ängste dadurch, dass die Stammbahn nicht wie gerade die Dresdner Bahn hinter meterhohen Lärmschutzwandtunneln durch die Stadt geführt wird, sondern sich städtebaulich mit gestalterischem Anspruch der Verkehrsstationen einfügt. Moderne Regionalzüge sind nämlich leise.

Was aufhorchen lässt: Im Auftrag des VBB wird parallel zur Vorplanung eine überschlägige [!] Nutzen-Kosten-Bewertung beauftragt, um die Wirtschaftlichkeit der Zielvarianten zu prüfen. Zwei Schritte vor, einer zurück?

Wie dem auch sei: Minister Beermann aus Brandenburg sagt, 2038, der 200-jährige Geburtstag der Strecke wäre ein gutes Datum für die Inbetriebnahme. Spötter sprechen von 2045. Dann wäre sie 100 Jahre stillgelegt.


Ein Zwischenruf zum NES

Mit großer medialer Begleitung feierten sich der VBB und die beiden Länder Berlin/Brandenburg für das neue Netz Elbe-Spree, eben NES. Und es klang ja auch toll: neue oder modernisierte, neuwertige Fahrzeuge auf teils neuen Linien. Als Highlight war wohl der von der ODEG übernommene RE1 gedacht: im Berufsverkehr in etwa alle 20 Minuten im S-Bahn-Takt von Brandenburg an der Havel nach Frankfurt (Oder). Und das quer durch Berlin.

Und nun stellt man fest: das funktioniert nicht. Brandenburgs Ministerpräsident ist „empört“, die Berliner Politik wohl auch und Fahrgastverbände fordern, es müsse sich sofort ändern. Die Wellen schlagen hoch, schnell ist von „Chaos“ die Rede. Wie das heutzutage halt so ist …

Die Berliner Stadtbahn ist längst als überlastet erklärt. Dass das nicht nur eine bürokratische Feststellung ist, kann man jetzt live erleben. Eisenbahn-Experten, also nicht selbst ernannte, sondern echte, wiesen schon frühzeitig darauf hin: das funktioniert nicht. Eine ausgelastete Infrastruktur mit leider unpünktlichem Fernverkehr, der zudem natürlich eine andere Haltepolitik als der Regionalverkehr hat (die Züge bzw. Trassen laufen also nicht gleichmäßig) – all das führt schnell zu Verspätungen und „Stau“. Da kommen die Bauarbeiten im Ostbahnhof höchstens noch „on top“.

Übrigens, wie man hört ist die ODEG nicht ganz unfroh, soll sie doch aktuell gar nicht die Personale haben, um alle RE1-Umläufe zu besetzen.

Diese Fachleute vertreten eine unschöne Erkenntnis: in ein überlastetes Netz bzw. überlastete Knoten gehören nicht mehr Züge, sondern allenfalls längere. So das infrastrukturell machbar ist.

Da stellt sich natürlich die Frage: Wurde das „der Politik“ und/oder dem Aufgabenträger nicht vermittelt? Augen zu und durch? Oder auf gut kölsch: „Et hätt noch emmer joot jejange“. Wir wissen es nicht.

Vermutlich wird es sich irgendwann „einrütteln“, aber eben anfällig bleiben. Von außen betrachtet meinen wir, dass hier eine ehrliche und klare Anamnese („was geht und was geht nicht?“) geholfen hätte.

Natürlich ist es für die Politik schön, „NES“ zu feiern oder gar ein Band durchzuschneiden. Für die Fahrgäste effektiv wären aber Maßnahmen mit dem Appeal von trocken Brot: z. B. kürzere Blockabstände, Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik oder wieder mehr Weichenverbindungen zur Erhöhung der Flexibilität. Die Fachleute unter Ihnen mögen die Liste noch verlängern.

Und in der mittleren bis langen Frist: wir müssen bauen und das vorhandene Netz sanieren, wenn wir mehr Verkehr auf der Schiene abwickeln wollen. Hier muss Gemeinwohl vor Einzelinteresse gehen, das ist leider so.

Am Ende des Jahres:

Wir danken Ihnen für die Treue zum „Zwischenruf“ und wünschen Ihnen und Ihren Familien schöne und friedliche Weihnachten sowie einen guten Start in ein neues, hoffentlich gesundes 2023!

Bleiben Sie uns bitte gewogen, gerne auch kritisch.

Und wer noch nach guten, aber machbaren Vorsätzen sucht: VIV freut sich über neue Mitglieder, neue Impulse, neue Ideen! Wobei wir weiterhin versuchen wollen, nicht die „Headline“ zu kreieren, sondern möglichst frei von Besserwisserei die Dinge zu hinterfragen. Kritisch, ja, aber sachlich und fair.