Ein Zwischenruf zum NES

Mit großer medialer Begleitung feierten sich der VBB und die beiden Länder Berlin/Brandenburg für das neue Netz Elbe-Spree, eben NES. Und es klang ja auch toll: neue oder modernisierte, neuwertige Fahrzeuge auf teils neuen Linien. Als Highlight war wohl der von der ODEG übernommene RE1 gedacht: im Berufsverkehr in etwa alle 20 Minuten im S-Bahn-Takt von Brandenburg an der Havel nach Frankfurt (Oder). Und das quer durch Berlin.

Und nun stellt man fest: das funktioniert nicht. Brandenburgs Ministerpräsident ist „empört“, die Berliner Politik wohl auch und Fahrgastverbände fordern, es müsse sich sofort ändern. Die Wellen schlagen hoch, schnell ist von „Chaos“ die Rede. Wie das heutzutage halt so ist …

Die Berliner Stadtbahn ist längst als überlastet erklärt. Dass das nicht nur eine bürokratische Feststellung ist, kann man jetzt live erleben. Eisenbahn-Experten, also nicht selbst ernannte, sondern echte, wiesen schon frühzeitig darauf hin: das funktioniert nicht. Eine ausgelastete Infrastruktur mit leider unpünktlichem Fernverkehr, der zudem natürlich eine andere Haltepolitik als der Regionalverkehr hat (die Züge bzw. Trassen laufen also nicht gleichmäßig) – all das führt schnell zu Verspätungen und „Stau“. Da kommen die Bauarbeiten im Ostbahnhof höchstens noch „on top“.

Übrigens, wie man hört ist die ODEG nicht ganz unfroh, soll sie doch aktuell gar nicht die Personale haben, um alle RE1-Umläufe zu besetzen.

Diese Fachleute vertreten eine unschöne Erkenntnis: in ein überlastetes Netz bzw. überlastete Knoten gehören nicht mehr Züge, sondern allenfalls längere. So das infrastrukturell machbar ist.

Da stellt sich natürlich die Frage: Wurde das „der Politik“ und/oder dem Aufgabenträger nicht vermittelt? Augen zu und durch? Oder auf gut kölsch: „Et hätt noch emmer joot jejange“. Wir wissen es nicht.

Vermutlich wird es sich irgendwann „einrütteln“, aber eben anfällig bleiben. Von außen betrachtet meinen wir, dass hier eine ehrliche und klare Anamnese („was geht und was geht nicht?“) geholfen hätte.

Natürlich ist es für die Politik schön, „NES“ zu feiern oder gar ein Band durchzuschneiden. Für die Fahrgäste effektiv wären aber Maßnahmen mit dem Appeal von trocken Brot: z. B. kürzere Blockabstände, Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik oder wieder mehr Weichenverbindungen zur Erhöhung der Flexibilität. Die Fachleute unter Ihnen mögen die Liste noch verlängern.

Und in der mittleren bis langen Frist: wir müssen bauen und das vorhandene Netz sanieren, wenn wir mehr Verkehr auf der Schiene abwickeln wollen. Hier muss Gemeinwohl vor Einzelinteresse gehen, das ist leider so.

Am Ende des Jahres:

Wir danken Ihnen für die Treue zum „Zwischenruf“ und wünschen Ihnen und Ihren Familien schöne und friedliche Weihnachten sowie einen guten Start in ein neues, hoffentlich gesundes 2023!

Bleiben Sie uns bitte gewogen, gerne auch kritisch.

Und wer noch nach guten, aber machbaren Vorsätzen sucht: VIV freut sich über neue Mitglieder, neue Impulse, neue Ideen! Wobei wir weiterhin versuchen wollen, nicht die „Headline“ zu kreieren, sondern möglichst frei von Besserwisserei die Dinge zu hinterfragen. Kritisch, ja, aber sachlich und fair.