Zwischenruf zur Schwerpunktaktion gegen Falschparker

Anfang Juni führten Ordnungsämter, Polizei und BVG stadtweit gemeinsam eine sogenannte Schwerpunktaktion gegen Falschparker durch. Die Aktion dauerte fünf Tage.

Der Autor dieser Zeilen ist häufig beruflich in der Kantstraße in Charlottenburg-Wilmersdorf tätig. Dort gehört es fast schon zum guten Ton, in zweiter Reihe zu parken. Warnblinker an – und dann seelenruhig einen Imbiss nehmen, einen Kaffee trinken, in die Reinigung, was auch immer. Und die anderen Verkehrsteilnehmer? Nehmen es ergeben hin …

Mitte Juni berichtete dann u.a. der Tagesspiegel von der Aktion und wartete mit folgenden Zahlen auf:

  • Es wurden 926 Falschparker auf Busspuren festgestellt – abgeschleppt wurden 118 Fahrzeuge (knapp 13%).
  • Es wurden 1.009 Falschparker auf Radfahrer-Schutzstreifen festgestellt – abgeschleppt wurden 27 Fahrzeuge (knapp 3%).
  • Es wurden 258 Falschparker auf Radwegen festgestellt – abgeschleppt wurden 24 Fahrzeuge (9%).
  • Es wurden 1.046 in zweiter Reihe Parkende festgestellt – abgeschleppt wurden 6 (weniger als 1%).
  • Bei sonstigen Verstößen gab es 3.245 Fälle – abgeschleppt wurden 113 (3%).

Insgesamt wurden also 6.484 Verstöße festgestellt. Die ganze Stadt, eine Arbeitswoche. Für 288 Autofahrende endete das mit Abschleppen. Das sind gut 4%.

Ach ja, man habe auch gut 1.100 Gespräche geführt, um, Zitat Tagesspiegel, "die Autofahrer für die aus ihrem Verhalten resultierenden Folgen für Andere zu sensibilisieren und ihnen die Rechtslage aufzuzeigen." Das ist doch schön.

Sieht so eine Schwerpunktaktion aus, die zur Verhaltensänderung oder gar zum Nachdenken anregt?

War man eigentlich mal bei der Fahrschule in der Joachim-Friedrich-Straße, die ihre Fahrzeuge regelmäßig auf dem Radfahrstreifen parkt?

Und so werden einige weiterhin auf dem Radfahrstreifen oder der zweiten Spur seelenruhig den Warnblinker anschalten und ihren Erledigungen nachgehen. Und es werden weiterhin einige auf der Busspur fahren, weil nur die Dämlichen sich da anstellen und im Stau warten.

Man sollte sich dann aber nicht wundern, wenn es im Gemeinwesen "knirscht". Auch wenn es sich hier nur um ein vergleichsweise kleines Problem handelt. Aber das Zusammenleben, gerade auch in einer Großstadt, funktioniert nur mit Regeln. Und die gehören durchgesetzt. Um Missverständnissen in diesen Zeiten vorzubeugen: Freiheit und Individualität sind sehr hohe Güter. Hier geht es lediglich um Spielregeln, die Zusammenleben auf engem Raum erträglich machen und die dem Egoismus zulasten Dritter Schranken setzt. Nicht mehr, nicht weniger.

Freundliche Grüße
Michael Rothe


Ein paar Zwischenfragen zum Rosinenbomber

Was war da los?

Erst lässt der Senat im Mai ein Fest feiern, bei dem eines der zentralen Elemente der Luftbrücke fehlte, nämlich Flugzeuge. Nur die für alles Mögliche als Kulisse hin- und hergeschobene DC-4 war da. Klar, sie ist dort ja auch zurückgeblieben. Und dann gibt es ein wochenlanges Geschacher, ob nun die klassischen "Rosinenbomber" des Typs DC-3 in Berlin landen oder wenigstens über die Innenstadt fliegen dürfen.

Nur den Controllern der Deutschen Flugsicherung in Tegel und Schönefeld ist es zu verdanken, dass sie wenigstens an beiden Plätzen tiefe Überflüge, sog. low approaches, zuließen.

Die Berliner Zeitung schreibt: "… die Planung … in der Hauptstadt hatte sich schwierig gestaltet. Erst am Donnerstag war klar, dass es keinen Überflug über das Brandenburger Tor gibt. Ursprünglich wollte der Verein mit einem Antrag bei dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die Genehmigung bekommen, in das sogenannte Flugbeschränkungsgebiet um das Reichstagsgebäude zu fliegen. In dieser Zone liegt auch das Brandenburger Tor. Diesen Antrag zog der Verein zurück. Der geplatzte Überflug über das Brandenburger Tor war bereits die zweite Planänderung für die Veranstalter. Auch eine Landung der Oldtimer-Maschinen auf dem Tempelhofer Feld konnte nicht umgesetzt werden, weil laut Tempelhof-Gesetz der innere Wiesenbereich mit der Start- und Landebahn öffentlich zugänglich bleiben muss."

Der innere Wiesenbereich muss also zugänglich bleiben? Auch wenn an ein weltgeschichtliches Ereignis erinnert wird, das nun zugegebenermaßen bereits 70 Jahre zurücklegt? Und: Formel-E-Rennen, bei denen Autos im Kreis um die Wette fahren, können stattfinden? Wer soll das verstehen?

Keine Frage, die Luftbrücke von 1948/1949 ist auch im Kontext des längst begonnenen "Kalten Krieges" zu sehen. Aber sie war auch, auf der menschlichen Ebene, eine humanitäre Aktion, bei der Menschen, die sich wenige Jahre zuvor noch beschossen, zusammenarbeiteten, um den Westteil der Stadt zu versorgen. Und, ohne Historiker zu sein: es ist sicher möglich, sich mit der Luftbrücke heute anders auseinanderzusetzen, als man das noch vor 50, 40 oder 30 Jahren tat. Es wäre aber die Chance gewesen, nochmals in großem Stil Zeitzeugen und ein in dieser Form sicher nie wieder zu realisierendes Zusammentreffen der alten Flugzeuge am historischen Ort zu ermöglichen.

Woran also ist es gescheitert? Am politischen Willen? Dem Veranstalter nun die Schuld in die Schuhe zu schieben, erscheint billig. Denn wenn man gewollt hätte, dann … Aber man wollte scheinbar nicht.

Und für den Autor das Traurigste: Warum hat niemand der Verantwortlichen im Berliner Senat wenigstens die Haltung, den Mut, zuzugeben, dass man schlicht und ergreifend nicht wollte?

Das wäre das Mindeste, was man erwarten dürfte: die Übernahme politischer Verantwortung, in der wenigstens eine Haltung zum Ausdruck kommt! Die kann man denn teilen oder auch nicht. Stattdessen: Schweigen und das Schieben der Schuld auf einen möglicherweise tatsächlich überforderten Veranstalter.

Übrigens: Wer z. B. in Faßberg war und dort zufälligen Stimmen über "die da in Berlin" lauschte, dem konnte teils angst und bange werden, was in Teilen der Bevölkerung so gedacht wird. Natürlich nicht repräsentativ, aber doch vernehmlich.

Freundliche Grüße

Michael Rothe


Ein Zwischenruf zum Kurzstreckenluftverkehr - Der weite Weg zum Klimaschutz

Man muss kein Gegner der Luftfahrt sein, um anzuerkennen, dass das Überwinden relativ kleiner Distanzen mit der Bahn anstatt dem Flugzeug der bessere Weg ist. Und es ist ja wahr: Flüge zwischen Berlin und Hamburg oder Hannover gehören schon lange der Vergangenheit an und sind heute unvorstellbar. Was nicht wenig mit den seit 30 Jahren geänderten politischen Verhältnissen zu tun hat. Und natürlich auch den ausgebauten Strecken.

Vor diesem Hintergrund lässt aufhorchen, dass Eurowings im Juni die Verbindung von Berlin-Tegel (TXL) nach Nürnberg (NUE) einstellen wird. Die Luftlinie zwischen beiden Airports beträgt 374 km (Quelle: luftlinie.org).

Wer mit uns vor zwei Wochen im ICE-Sprinter nach Nürnberg mitgefahren ist, weiß, dass bei der planmäßigen Fahrzeit von 2:51 h von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof noch Luft ist. Dies mag aus guten Gründen der Fahrplanstabilität geschuldet sein. Auch wenn man dem Argument, dass die Flughäfen ja "jwd" seien und die Bahn von City zu City fahre, nicht folgen mag (denn nicht jeder beginnt oder beendet seine Reise zwingend in der Nähe eines Hauptbahnhofs), so ist die Reisezeit auf der Schiene in dieser Relation natürlich absolut konkurrenzfähig.

Aber wie sieht die Realität aus? Z. B. am Montag, dem 03.06.2019?

Da bietet Eurowings gerade mal zwei (!) Flüge von und nach NUE an. Bei Einsatz eines Airbus A320 sind das 360 Plätze in jeder Richtung. Mit Fug und Recht wird man sagen dürfen, dass das für das Flugzeug ein Nischenmarkt ist. Natürlich auch ein Ergebnis der Neubaustrecke, denn zu Zeiten Air Berlins war die Frequenz ein wenig höher.

Ganz anders München (Luftlinie 480 km): Nach MUC gibt es am 03.06.2019 28 Verbindungen! 16 davon bietet die Lufthansa an (sicher mit einem relevanten Anteil an Umsteigern auf ihrem Drehkreuz MUC), drei die Lufthansa-Tochter Eurowings und neun EasyJet. Bei Einsatz des Standardflugzeugs A320 sind das gut 5.000 Sitze, die auf die Bahn zu verlagern wären. Ob dafür gegenwärtig genügend Züge zur Verfügung stünden? Vermutlich nicht.

Und der Preis?

Der Sprinter ICE 1003, der planmäßig um 08:05 Uhr Berlin Hbf. verlässt (am 03.06. wegen Bauarbeiten bereits eine halbe Stunde früher) und München Hbf. um 12:03 Uhr erreicht, kostet 153 € (Flexpreis 2. Kl.; Sparpreise nicht mehr im Angebot). Wer sich dagegen für LH 2031 entscheidet, verlässt TXL um 09:00 Uhr und landet in MUC um 11:05 Uhr. Dafür bezahlt er oder sie 109,18 € in der Economy – und zahlt, das nur nebenbei, keine Steuern auf Kerosin.

Es würde natürlich den Rahmen dieses Zwischenrufs sprengen, auch noch auf notwendige Betrachtungen wie Infrastrukturkosten, die steuerliche Belastung der beiden Verkehrsträger (wie oben angedeutet) oder die Verursachung externer Kosten (also Kosten, die die Allgemeinheit bezahlt, nicht der Verkehrsträger selber. Bsp.: Umweltschäden) einzugehen. Gerade die sog. "Internalisierung externer Kosten" ist der Versuch, bis dato von der Allgemeinheit getragene Kosten dem Verursacher zuzurechnen. Wie man sich vorstellen kann, ist das nicht leicht zu bewerkstelligen, würde aber die "echten" Kosten des Verkehrsträgers widerspiegeln.

Was man aber leicht auch bei oberflächlicher Betrachtung sieht:

Bis zum Verzicht auf den innerdeutschen Flugverkehr ist es noch ein weiter Weg! Und wenn wir den Klimaschutz ernstnehmen, wird es ohne drakonische Maßnahmen, nach Ansicht des Autors übrigens auch beim Auto, in Anbetracht der nach Expertenmeinung wenigen zur Verfügung stehenden Zeit nicht gehen!

Übrigens, auf unserer Vorfeldrundfahrt auf dem Nürnberger Flughafen sahen wir einen Jet von Lufthansa Regional ankommen. Startort war München. Das sind 137 km Luftlinie. In Anlehnung an ein früheres Magazin im ZDF: "Noch Fragen, Kienzle?", "Nein, Hauser!".


Verkehrspolitische Rundfahrt: Aktuelle Großbauprojekte im Berliner Straßenbau

Mit Lutz Adam, Tiefbauleiter bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

Für die Einen Utopie, für die Anderen schlicht unvorstellbar: Berlin ohne Stadtautobahn.

Und ehe, je nach Sichtweise, weitere Blütenträume reifen oder Alpträume wahr werden, nämlich die Vollendung des Autobahnrings, stehen in den Folgejahren erstmal sehr große Sanierungsmaßnahmen an. Allen voran Abriss und Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke und die Sanierung der A111, aber auch in den Folgejahren der komplette Umbau des Dreiecks Funkturm, welches dem gegenwärtigen Fahrzeugverkehr nicht mehr gewachsen ist.

Grund genug also, mal den Blick von einem Schienenthema abzuwenden und zu schauen, was da so auf uns zukommt. Herr Lutz Adam, seines Zeichens Leiter der Tiefbauabteilung bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, nahm sich am 23. Mai die Zeit und berichtete insbesondere über das Bauvorhaben Rudolf-Wissell-Brücke. Die Sportlichen unter uns hatten die Gelegenheit, den sicher nicht alltäglichen Blick in einen der Hohlkästen der Brücke zu werfen.

Im Anschluss an den Termin fuhren wir mit Herrn Adam noch Teile des Stadtrings ab und erfuhren etwas über die Geschichte der Stadtautobahn, die bestehenden Probleme und die weiteren Planungen. Und im Anschluss an diese Fahrt wissen wir nun auch, warum die Deutsche Bahn momentan von ihren Elektrifizierungsplänen des südlichen Innenrings Abstand genommen hat.


Ein ICE auf Abwegen

Vielleicht traute mancher am Donnerstag (21.03.2019) seinen Augen nicht: Ein ICE auf der "Alten Wannseebahn" (also der Strecke Wannsee – Zehlendorf) und der Stammbahn!

Mitnichten handelte es sich um einen Testbetrieb für eine von Wannsee provisorisch verlängerte RB33 Richtung Steglitz. Und in Lichterfelde-West wurde auch nicht das Anfahren an den ehemaligen Bahnsteig der amerikanischen Alliiertenzüge geübt.

Was also machte der ICE dort?

Es handelt sich um das letzte betriebsfähige Exemplar der Baureihe 605, einen vierteiligen dieselgetriebenen ICE-Zug. der einst für die Verbindung Dresden – Chemnitz – Hof Dresden beschafft wurde. Später wurde das Einsatzgebiet auf Hamburg – Kopenhagen via Vogelfluglinie verlagert; eine dieser Verbindungen ging sogar bis nach Berlin. Im Betrieb war der Zug allerdings nicht rentabel und die Deutsche Bahn trennte sich vor einiger Zeit von den Zügen. Einer hat betriebsfähig überlebt, nämlich das Exemplar Nr. 017, das auf den schönen Namen "Volker" hört, und in einen fahrenden Erprobungsträger für neue Technologien und Komponenten umgebaut wurde. "Advanced train lab" nennt sich das Ganze; beheimatet ist der Zug in Halle-Ammendorf.

Und getestet wurde fleißig im Berliner Südwesten, nämlich Komponenten im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren. So wurden offenbar Prellbockauffahrten geübt (dem Stand der Dinge nach scheint das gutgegangen zu sein …) und auch ein stilisiertes Auto wurde dem Zug auf das Gleis gestellt. Nichts passiert.

Wir finden:

Eine gute Idee, die Stammbahn für derartige Tests zu nutzen! Funktionsfähige Infrastruktur, die man gegenwärtig nicht anderweitig verwendet, wird sinnvoll genutzt und in der Technologiehauptstadt Berlin werden eben jene, neue Technologien, unter Laborbedingungen getestet. Es wäre schön, wenn wir diesen Gast öfter mal begrüßen könnten. Bis dann eines Tages die Züge entweder über die direkte Strecke durch den Düppeler Forst oder die sog. Alte Wannseebahn von Potsdam Richtung Nord-Süd-Tunnel oder südlichen Innenring rollen ...


Verkehrspolitisches Forum: Die Stammstrecke der NEB

Mit Detlef Bröcker, Geschäftsführer der NEB

"i2030", die gemeinsame Initiative der Länder Berlin und Brandenburg, des Verkehrsverbundes VBB sowie der Deutschen Bahn, definiert eine Reihe von Projekten, die den schienengebundenen Verkehr in der Region – endlich – spürbar voranbringen sollen.

Und obwohl es momentan so eine Art Wettbewerb zu geben scheint, wer die Siemensbahn frühestens an den Start bringt (der neue Nahverkehrsplan 2019-2023 spricht von einer vordringlichen Priorität mit Realisierung 2020-2025), sieht es so aus, als ob ein Projekt in der Realisierung die Nase vorn haben wird, nämlich die Wiederinbetriebnahme der Stammstrecke der sog. Heidekrautbahn von Basdorf über Mühlenbeck, Schildow, Blankenfelde und Wilhelmsruh nach Gesundbrunnen. Die Strecke berührt das Märkische Viertel in Berlin und schließt auch das "PankowPark" genannte Industrieareal an der Grenze zwischen Pankow und Reinickendorf an das Schienennetz an.

Da für den Ausbau Planungsrecht besteht, könnte eine (Wieder-) Inbetriebnahme bereits Anfang der zwanziger Jahre erfolgen. Der oben zitierte Nahverkehrsplan spricht allerdings von einer "ersten Ausbaustufe" und einem "Vorlaufbetrieb" bis Wilhelmruh, der bis 2025 realisiert werden könne. Die Weiterführung nach Gesundbrunnen ist demnach für 2031-2035 geplant, dies allerdings mit der Prioritätsstufe "dringlich".

Ob das alles realistisch ist, wie das Betriebskonzept aussieht und welche innovativen Fahrzeuge dabei zum Einsatz kommen sollen, erläuterte uns der Geschäftsführer der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB), Detlef Bröcker, in unserer Veranstaltung am 19.03.2019.


Ein Zwischenruf zum Bahnalltag im (Berliner) Regionalverkehr

Stellen Sie sich vor:

Eine Dame mittleren Alters, gepflegt, mit kleinem Rollkoffer, offenbar eher bahnunerfahren, steigt an einem Berliner Vorortbahnhof in den RE7. Der Zug ist, obwohl der Berufsverkehr vorbei ist, gut gefüllt. Zum Einsatz kommt ein Elektrotriebzug des Typs "TALENT".

Unsere Dame, offenbar auf dem Weg zum Berliner Hauptbahnhof, sucht also einen Platz für sich und ihren Koffer.

Erster Versuch: Mehrzweckabteil

Hier sitzen viele "Normalreisende", für die dieses Abteil eigentlich nicht gemacht ist, Und weil die Klappsitze so schmal sind, möchte sich unsere Reisende nicht auf den freien Sitz zwischen zwei Herren drängen. Gegenüber sitzt eine etwas korpulentere Dame, die, versunken in ihrem Mobiltelefon, drei Sitze beansprucht. In der Mitte sie, links und rechts "überhängend". Da sie von ihrer Umwelt entkoppelt erscheint, findet sie auch nichts dabei, drei Sitzplätze zu belegen.

Zweiter Versuch: eine Zweierreihe

Am Fenster sitzt scheinbar eine Studentin, vor sich auf dem Klapptischchen das Laptop. Auf dem Gangplatz, der Zug ist gut gefüllt, liegt der Rucksack. Auf die Frage unserer Reisenden, ob sie sich setzen dürfe, kommt die Erwiderung: "Nein, geht grad nicht".

Dritter Versuch: noch eine Zweierreihe

Auf dem Gangplatz sitzt ein Herr mittleren Alters, auch sehr gepflegt, verkabelt. Es folgt die Frage, ob sie sich setzen dürfe. Der Herr, ein wenig mürrisch, steht auf. Unsere Reisende, offenbar in Sorge um ihren Koffer, quetscht erst ihren Koffer in den Fußraum des Fensterplatzes, dann sich selbst. Der Herr, noch mürrischer schauend, beobachtet regungslos die Szenerie. Unsere Reisende stellt fest: läuft nicht. Also wieder zurück, den Herrn fragend, ob er nicht vielleicht an das Fenster durchrutschen könne. Nach kurzer Erläuterung, warum das schlecht sei, geht es nun doch. Unsere Reisende sitzt endlich, neben sich den kleinen Rollkoffer, der nun den Gang fast versperrt.

Diese kleine Geschichte sagt ein wenig was aus über das menschliche "Miteinander" in der Gegenwart. Aber das ist hier gar nicht das Thema.

Der Zug ist modern. Er ist leise, barrierefrei, klimatisiert, beschleunigt schnell, ist sauber und bietet Steckdosen. Er ist vom Aufgabenträger so bestellt und bietet formal Komfort.

Und doch bietet er eines nicht: Platz! Die Sitze sind schmal, sehr schmal. Er ist eng, jedenfalls wenn er gut gefüllt ist. Er ist für Reisende mit Gepäck, und solche soll es in einem Regionalexpress auch geben, einfach nicht gemacht. Und wenn man bedenkt, dass die Eisenbahn auch immer mit dem Auto konkurriert, dann möchte man den Aufgabenträgern zurufen:

"Denkt an den Alltag! Denkt an die Praxis und weniger formal! Denkt an die Fahrgäste!"

Freundliche Grüße
Michael Rothe


VIV-Neujahrsempfang mit Alexander Kaczmarek

Können Sie sich erinnern, wann Verkehrspolitik letztmalig so im Fokus stand wie derzeit?

Die, wie es abschwächend heißt, "Diesel-Thematik", Digitalisierung, autonomes Fahren und nun auch der "Deutschlandtakt" bei der Eisenbahn, für dessen Realisierung bis 2030 erhebliche Summen investiert werden müss(t)en.

Was bedeutet dieser "Deutschlandtakt" eigentlich, wo doch bereits seit Jahren Fern- und Nahverkehr grundsätzlich vertaktet organisiert sind? Werden zukünftig auch wieder Regionen an Fernverkehrslinien angeschlossen, die diesen in den letzten Jahrzehnten verloren haben? Was bedeutet autonomes Fahren eigentlich für die Regionen jenseits der Ballungszentren? Hat da die klassische Eisenbahn überhaupt noch eine Chance? Stellt der Ausbau der Eisenbahninfrastruktur auch eine Chance dar, die Lkw-Kolonnen von den Straßen zu bekommen oder ist "Platooning" das Mittel der Wahl? Und wie sind die Ziele angesichts des deutschen Planungsrechts überhaupt in einem überschaubaren Zeitraum realisier- und übrigens auch finanzierbar?

Eine Menge Fragen. Doch auch zu lokalen Themen wie z. B. der Wiederinbetriebnahme der Siemensbahn haben wir uns mit Alexander Kaczmarek, Konzernbevöllmächtiger der Deutschen Bahn für das Land Berlin, ausgetauscht.

Der Neujahrsempfang fand 2019 an einem neuen Ort statt, nämlich im Mitarbeiterrestaurant von DB Gastronomie im Berliner Hauptbahnhof (Hbf). Dort konnten wir mit Ihnen einen tollen und nicht alltäglichen Ausblick auf den Innenbereich des Hbf genießen. Die Veranstaltung war kostenfrei und wie jedes Jahr war auch 2019 für einen kleinen Imbiss und ein Begrüßungsgetränk gesorgt.


"... und dann ging alles ganz schnell"

Aber was ging auf einmal ganz schnell?

Die Deutsche Reichsbahn, die nach 1945 die Betriebsrechte für die S-Bahn auch im Westteil der Stadt hatte, wollte sich spätestens nach dem Streik der in West-Berlin Beschäftigten im Jahre 1980 von ihrem Verlustbringer trennen. Und auch im Westteil der Stadt selbst erkannte man zunehmend, dass dort Infrastruktur, seit gut zwanzig Jahren weitgehend ungenutzt, vorhanden war, mit der man vielleicht Besseres anfangen könne, als Eisenbahnnostalgiker und -archäologen zu erfreuen. Und so traten Ende 1983 Senat und Reichsbahn in Verhandlungen, um den S-Bahn-Betrieb auf eine neue Grundlage zu stellen. Selbstverständlich immer so, dass alliierte Statusfragen nicht berührt wurden. Schnell war man sich einig, der Betrieb sollte Anfang Januar 1984 auf eine vom Senat zu benennende Stelle übergehen. Das war die BVG. Und heute vor 35 Jahren, am 9. Januar 1984, war es soweit.

Die BVG hatte ein zunächst ungeliebtes Kind erhalten und mahnte in ihren Publikationen in den folgenden Monaten: "Wer S-Bahn fordert, sollte auch S-Bahn fahren". Das aber war zunächst gar nicht so einfach, denn das "S-Bahn-Netz" bestand zunächst nur aus zwei Linien: die S2 von Anhalter Bahnhof nach Lichtenrade und die S3 von Charlottenburg nach Friedrichstraße. Aber bereits in den folgenden Monaten ging es weiter nach Wannsee im Südwesten und nach Gesundbrunnen bzw. später Frohnau im Norden. Und am 1. Februar 1985, erstmals mit frisch renovierten Bahnhöfen, kam dann die S1 genannte Wannseebahn dazu, die von Anhalter Bahnhof nach Wannsee führte. S-Bahn-Fahren kam so sachte in Mode, denn in den Köpfen einer ganzen Generation West-Berliner war dieses Verkehrsmittel einfach nicht mehr existent.

Zu Streckenreaktivierungen kam es in den Folgejahren nicht, denn nun stand die grundhafte Erneuerung der Infrastruktur und die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs, die heute noch existente BR 480, im Vordergrund. Und so blieben Spandau/Siemensstadt und Tegel/Heiligensee ohne S-Bahn-Verkehr, denn man hatte in den Jahrzehnten zuvor ja reichlich U-Bahnen, teils mehr oder weniger parallel, gebaut. Für die Anhalter Bahn in Lankwitz und Lichterfelde gab es wilde Pläne: mal sollte es ein Spurbus auf der S-Bahn-Trasse sein, mal die nach Lankwitz verlängerte U9 (die übrigens, wenn man sich den Busverkehr nach Steglitz ansieht, noch heute sinnvoll wäre!), die dann auf die Trasse der S-Bahn nach Lichterfelde wechseln sollte. Nächstes Neubauprojekt sollte dann der als S4 titulierte Südring werden. Aber da kam dann 1989 ein anderes Ereignis dazwischen ...

Und heute?

Das S-Bahn-Netz ist weitestgehend wieder in Betrieb und an einigen Stellen sogar erweitert worden. So könnte man z. B. schon heute zu einem Flughafen fahren, wenn man ihn denn hätte. Und selbst kürzlich noch Totgesagte wie die Siemensbahn erleben eine Art Wiederauferstehung (hoffen wir, dass es so kommt!). Dennoch leidet die Infrastruktur immer noch an den Folgen des 2. Weltkriegs. Im Rahmen der Reparationsleistungen demontierte zweite Gleise fehlen bis heute auf vielen Außenästen, was immer wieder zu Problemen im Betrieb führt. Und vielleicht einigen sich Brandenburg und Berlin ja auch endlich mal darüber, wie boomende Regionen vor der Stadt ordentlich "an die Schiene" angebunden werden. Die vielen Pendler in überfüllten Zügen (oder auch im Stau) würden es ihnen danken! Die gemeinsame Initiative "i2030" ist an dieser Stelle vielversprechend. Zeit wird es.

Ihr

Michael Rothe