Zwischenruf zum D-Ticket
Nun ist es also da: das Deutschlandticket (D-Ticket). Alle haben alles gesagt. Und die Welt? Sie dreht sich einfach weiter. Sie haben als Interessierte auch alles gelesen und verfolgt: Den einen ist es immer noch zu teuer, andere befürchten chaotische Zustände. Manche fordern die Freigabe im IC, Verwegene sogar im ICE. Wieder andere wollen, dass es auch im Flixbus/-train gilt. Und die Hundemitnahme? Ist natürlich viel zu kompliziert geregelt. Selbstverständlich berichten Tagesschau und rbb über Schlangen vor Schaltern am 1. Mai, in denen Menschen beklagen, was alles nicht oder nicht perfekt funktioniert.
Ball – flach – halten
Es ist dieser fatale Hang in unserem Land, alles Schlechte zu sehen, der nur noch nervt. Wir sind weit davon entfernt, den Bundesverkehrsminister und seine Verkehrspolitik zu lobpreisen, aber anerkennen dürfen wir doch, dass das Nutzen von Nahverkehrsmitteln so einfach ist wie nie zuvor. Wer jemals auf einen Ticketautomaten im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr geschaut hat, weiß, was gemeint ist. Und um einmal den „Holzhammer“ zu bemühen: Menschen ein paar Hundert Kilometer weiter südöstlich hätten gerne die „Probleme“, die wir hier so häufig beklagen. Natürlich werden die touristischen Hotspot-Strecken und der „Interregio-Ersatzverkehr“, also die langlaufenden RE-Linien, beansprucht werden. Es wird auch hier und da Probleme geben. Das war damals beim „Schönes-Wochenende-Ticket“ so und natürlich auch beim 9-€-Ticket.
Abschaffen! Abschaffen?
Bahnexperte Professor Christian Böttger von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft fordert im Interview mit der Berliner Zeitung: Abschaffen! Mit der interessanten Begründung, nur der pendelnde Mittelstand profitiere davon, obwohl doch Starnberger, Königsteiner, und Bargteheider Pendelnde keiner Entlastung bedürften. Das mag sein. Dachte er da etwa an einen Flugzeuginhaber und Piloten des gehobenen Mittelstands? Mittelstand sind aber auch Polizeibeamte, Pflegekräfte, Angestellte etc. Möglicherweise denken Pendelnde aus Pinneberg, Neuperlach, Marzahn oder sonst wo etwas anders über die Kosten der Mobilität?
Ist das D-Ticket die Verkehrswende?
Die Antwort lautet: Nein. Viele Haushalte, gerade der zitierten Mittelschicht, verfügen über ein Auto, manche auch über zwei und mehr. Das Auto ist, die Autos sind da. Und da der Mensch häufig schlicht ist, rechnet er „Benzin- vs. Ticketpreis“. Das Ergebnis ist bekannt: neben der Verfügbarkeit, der Bequemlichkeit, dem Komfort und der Einfachheit kommt dann häufig noch der Preis: „Das Auto ist billiger“, was in der Regel nicht stimmt, weil die Fixkosten unter den Tisch fallen. Aber egal: vielleicht verleiten 49 €, also nicht einmal die berühmte Tankfüllung, den einen oder anderen doch dazu, anders zu rechnen und das Auto stehenzulassen oder nur bis zum nächsten Bahnhof zu fahren. Im Sinne der CO2-Reduktion hilft das alles.
Professor Böttger sagt, dass erhöhter Subventionsbedarf zu jährlichen Kosten von bis zu 5 Mrd. Euro führen könne. Geld, das für die Aufrechterhaltung des Angebots oder gar den unabdingbaren Ausbau der Infrastruktur (und der wäre Verkehrswende!) fehlen werde oder könne. An dieser Stelle hat er einen Punkt. Denn wer A (D-Ticket) sagt, muss auch B (Infrastruktur sanieren und ausbauen) sagen und vor allem: MACHEN! In diesem Sinne ist die Tarifrevolution vom gestrigen Tag ein Schritt, aber nur ein erster und einer von vielen, die noch kommen müssen, um attraktive(re) Mobilitätsangebote jenseits des Automobils zu schaffen.