VIV-Neujahrsempfang 2024 mit Ute Bonde (VBB)
Unser Neujahrsempfang am 06.02.2024 im DB Casino im Berliner Hauptbahnhof war wieder ein großer Erfolg. Mit über 80 Teilnehmern haben wir den Jahresbeginn gefeiert, uns zu aktuellen Themen der Verkehrspolitik ausgetauscht und vernetzt. Gastgeber war unser stellvertretender Vorsitzender, Patrick Steinhoff.
Als Highlight des Events trat auch in diesem Jahr unser Gast Ute Bonde auf, die Geschäftsführerin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB), die einen kurzen Über- und vor allem Ausblick darüber gab, was den VBB im Verlauf des Jahres 2024 beschäftigen wird. Dabei hat sie auch die „schwebenden Phantasien“ zum Projekt einer Magnetschwebebahn in Berlin neu befeuert, für die nun eine fünf bis sieben Kilometer lange Teststrecke gebaut werden soll. Einen Termin für den Baubeginn gibt es allerdings noch nicht. Ein spannendes Vorhaben jedenfalls, das im gewissen Kontrast zum doch manchmal tristen ÖPNV-Alltag steht. Für einigen Gesprächsstoff war damit gesorgt.
Ein leckerer kleiner Imbiss zum Selbstkostenpreis rundete die Feier ab.
Schwebende Phantasien
Nein, wir sind nicht gegen neue Techniken und auch nicht gegen neue Ideen. Wirklich nicht. Und wir sind der Meinung, dass wir grundsätzlich einen guten öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in der Stadt haben – auch jenseits des S-Bahn-Rings. "Grundsätzlich" heißt nicht, dass alles und überall toll ist. Was aber soll eine Nutzerin, ein Nutzer des ÖPNV denken, der oder die beispielsweise auf dem tropfenden U-Bahnhof Ullsteinstraße auf den Zug wartet? Was der- oder diejenige, der/die im U-Bahnhof Schloßstraße an der U9 Richtung Norden auf einem seit Jahren, nun ja, im Rohbauzustand befindlichen, diffusen und unübersichtlichen Bahnsteig auf den Zug wartet? Was soll jemand denken, der oder die an einem eingleisigen Außenast der Berliner S-Bahn, z.B. nach Bernau, auf den verspäteten Zug wartet, weil seit Jahrzehnten kein zweites Gleis verlegt wird? Was ein Fahrgast der Ringbahn, der oder die wegen Verzögerungen im Betriebsablauf, Reparatur an einem Zug oder Weichenstörung ebenfalls auf den Zug wartet, obwohl wir seit Jahren zur Verbesserung der Betriebsqualität dritte Bahnsteigkanten bauen wollen? Und was soll ein Nutzer, eine Nutzerin denken, wenn demnächst wegen Personalmangels die BVG-Busleistungen weiter gekürzt werden? Und als Letztes: Was ein Fahrgast, der oder die auf einem Bahnhof warten muss, auf dem offen mit Drogen gehandelt und diese auch gleich an Ort und Stelle konsumiert werden?
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Was also sollen diese angenommenen "Normal-User" denken, wenn sie nun von der Einführung einer Magnetschwebebahn lesen, sehen oder hören, deren Baubeginn noch in dieser Legislatur liegen soll? Letzteres übrigens ein Unding und erschreckend, mit welcher Unkenntnis sich führende Berliner Landespolitiker, und ein solcher ist ein Fraktionschef, äußern. Wir brauchen viele Jahre, um die U3 ein paar hundert Meter zur S-Bahn am Mexikoplatz zu verlängern, wollen aber innerhalb von drei Jahren eine Magnetbahn zu bauen beginnen? Ein Unding ist es auch, so ein Projekt unter der Überschrift "Wir wollen ein neues Verkehrssystem, müssen aber noch eine Anwendungsstrecke suchen" zu ventilieren. Sofern die Veröffentlichung gezielt und gewollt war, darf man schon fragen, ob das insgesamt nicht ein wenig unterkomplex geraten ist?
Wollen wir nicht erstmal unsere U-Bahntunnel und Stationen sanieren? Wollen wir nicht erstmal unsere U-Bahn automatisieren? Wollen wir uns nicht erstmal um unsere bestehenden Verkehrssysteme kümmern? Sie instandhalten oder auch instandsetzen und sie da ausbauen/erweitern, wo es jeweils Sinn macht? Wollen wir nicht endlich eingleisige Streckenabschnitte bei der S-Bahn beseitigen und die Ringbahn stabilisieren? Wollen wir nicht endlich die i2030-Projekte sichtbar (!) voranbringen? Wollen wir als Ziel unseren ÖPNV nicht so attraktiv gestalten, dass er auch für überzeugte Autofahrerinnen und Autofahrer zu einer Alternative werden und so die "Verkehrswende" zumindest in der Stadt gelingen kann?
Wahrscheinlich geht das Ganze ja aus wie das berühmte Schießen in Hornberg. Und das ist auch gut so.
Freundliche Grüße
Michael Rothe
"Zwischenruf" … zum 29€-Ticket
Alte Vorurteile werden nun wieder bedient werden: Berlin, hoch verschuldet und Nehmerland im Finanzausgleich, leistet sich den Luxus, allen Bürgerinnen und Bürgern den ÖPNV für 0,95 € pro Tag anzubieten. Das macht 29 € im Monat und 348 € im Jahr – liegt also unterhalb des oft geforderten 365 €-Tickets.
Gestattet sei die Frage, ob uns der gesamte Berliner ÖPNV im Tarifgebiet AB wirklich nur 95 ct am Tag wert ist?
Allzumal dies "mit der Gießkanne" für alle gilt und sozial Bedürftigen weiterhin (und richtigerweise) noch günstigere Angebote gemacht werden.
Unstrittig dürfte sein, dass das Angebot im Bereich AB sehr gut ist. Ja, in Außenbezirken wird es "dünner", aber ein 20-Minuten-Takt würde in Teilen des Tarifgebiets C oder gar "auf dem Land" als purer Luxus empfunden. Und wenn wir uns ehrlich eingestehen: Das bisherige Modell "12 Meter-Bus fährt alle 20 Minuten von fünf bis Mitternacht" für eine sehr überschaubare Zahl von Fahrgästen ist Luxus. Oder, je nach Standpunkt, Daseinsvorsorge. Na klar, 20 Minuten Warten sind auf dem Weg in den Feierabend superärgerlich, wenn der BVG-Bus abfährt, weil IT-technisch zwischen den beiden Verkehrsunternehmen keine Meldung kommt: "S-Bahn kommt zwei Minuten später aus der Innenstadt. Warte!".
Aber ist für die Verkehrsmittelwahl, Stichwort Verkehrswende, wirklich der Preis das ausschlaggebende Moment? Experten würden das wohl verneinen, denn Sicherheit, Komfort und Takt werden ebenso hoch oder höher bewertet. Sofern das eigene Auto vor der Tür steht, spielen neben den harten Fakten wie Takt und Verlässlichkeit auch "soft skills" eine Rolle: Wird die Fahrt als sicher empfunden? Als komfortabel? Ist es angenehm, ein öffentliches Verkehrsmittel zu nutzen? Ist es einfach? Sehr viele, zu viele, verneinen die Antworten auf diese Fragen.
Dies liegt, soviel Ehrlichkeit muss sein, nicht nur an den Verkehrsunternehmen, sondern auch an den Nutzerinnen und Nutzern des ÖPNV: denn es sind sie, die den Müll liegenlassen, Anlagen beschmieren oder sich im Fahrzeug anderen gegenüber respektlos und/oder unhöflich benehmen. Nein, natürlich, gottseidank, nur die Wenigsten.
Es steht also zu befürchten, dass das zentrale Wahlkampfprojekt einer Regierungspartei nicht zu mehr Fahrgästen, sondern zu Einnahmeausfällen führt, die zum Erhalt des Angebots, dem Erhalt und Ausbau bestehender Anlagen eigentlich dringend gebraucht würden. Und ohne zynisch sein zu wollen: an mancher Stelle sind mehr Fahrgäste eigentlich gar nicht erwünscht. Fragen Sie mal Nutzerinnen und Nutzer der U5 oder der M4. Hier wären mehr Kapazitäten gefragt und die kosten, Sie ahnen es, Geld.
Freundliche Grüße
Michael Rothe
Download: Zwischenruf_29EUR-Ticket (PDF)
"Zwischenruf" ... ein bißchen radlos ....
Nein, wir wollen nicht den billigen Gag – und verlassen mal eben unser Feld für einen kurzen Moment. Gestatten Sie uns bitte nur einen kurzen Gedanken, der natürlich nicht die Welt erklärt. Das macht sowieso nur die "42".
Wahrscheinlich ist es normal, dass Gesellschaften in Transformation und/oder Krisen gereizt und relevant viele Menschen auf Veränderungen aversiv reagieren: sei es bei einer vergleichsweisen Nebensächlichkeit wie dem Gendern, der Wärme-/Energieversorgung oder auch des Deutschen scheinbar noch immer liebsten Kind: dem Auto (in der Stadt!). Dinge aber ändern sich, Restauration scheint unmöglich. Nur ein Beispiel: eine Anstellung bei Siemens (bei VW, BASF, der Post, der Bahn, etc) wird nie wieder quasi beamtenhaft sein wie weiland in den Siebzigern/frühen Achtzigern der alten BRD. Das kommt nicht wieder, die Sicherheit ist weg. Und das gilt eben in vielen anderen Bereichen auch: wir brauchen (integrierte) Fachkräfte, massive wirtschaftliche Konkurrenz ist entstanden durch neue Player am Weltmarkt, der (menschengemachte) rapide Klimawandel, Krieg in Europa – all das sind massive Herausforderungen, die Unsicherheiten erzeugen. Umso wichtiger ist es, politisch zu erklären, was man tut, sich mit den Ängsten auseinanderzusetzen, sich der Diskussion zu stellen. Und die andere Seite, die sich, wie in Thüringen, nicht scheut, zu gut einem Drittel einen Extremisten wählen zu wollen? Es hilft nichts, aber "Politik" muss versuchen, wieder in den Diskurs zu kommen, einen Austausch der Meinungen zu ermöglichen. Denn es gilt nach wie vor die goldene Regel einer jeden Diskussion: Auch der andere könnte Recht haben!
Zurück in das Klein-Klein der Berliner Verkehrspolitik
Große Aufregung: die neue Verkehrssenatorin stoppt die Verkehrswende, kein einziger Parkplatz solle für einen Radweg "geopfert" werden, die Friedrichstraße wird wieder dem Auto Untertan gemacht und nun legt sie auch noch Axt an die Tram-Planungen. Die sogenannten serösen Zeitungen schäumen, die Radfahrer-Community tobt. Es ist sicher alles andere als ungewöhnlich, dass eine neue Regierung, ein neues Management, sich einen Überblick verschafft. Und, na klar, mit einer anderen verkehrspolitischen Ausrichtung kommt man wohl auch zu anderen Bewertungen.
Auch hier gilt: Ball flach halten!
Die Senatorin verweist auf den Koalitionsvertrag, nach dem der Ausbau des ÖPNV das Rückgrat der Verkehrswende sei. Wir finden: richtig! Natürlich solle der Radverkehr als integraler Teil der Verkehrswende gefördert, aber eben auch die Interessen der Autofahrenden berücksichtigt werden. Nun: die Interessen der Autofahrenden wurden in den letzten Jahrzehnten schon sehr berücksichtigt und den berühmten Gürtel enger zu schnallen (= Platz abgeben), fällt schwer. Nehmen Sie als Beispiel die Kantstraße in Charlottenburg oder die Sonnenallee in Neukölln: die sind so breit wie sie sind. Eine Park-, zwei Fahrspuren, eine ÖV-Spur (sei es als Schiene, sei es als Busspur) sowie auskömmliche Geh- und Radwege werden nicht funktionieren. Interessenkonflikte liegen auf der Hand. Und die müssen austariert werden, indem, ja, das ist so, genommen und gegeben wird, so dass am Ende ein Kompromiss steht, den man schneller findet, wann man miteinander redet, diskutiert, Argumente austauscht. Auch der andere könnte Recht haben.
Kompromiss
Der Kompromiss hat in der gegenwärtigen Diskussionskultur ein schlechtes Image. Vorzugsweise ist es ein "fauler" oder "mit dem geringsten gemeinsamen Nenner". Und natürlich braucht es in der medialen Dramaturgie "Gewinner" und "Verlierer", "Helden" und "Loser". Nein, der Kompromiss gehört dazu! Und nur so, mit Kompromissen, werden wir auch in der Berliner Verkehrspolitik weiterkommen – rüsten wir also einfach mal verbal ab. Auch der andere könnte Recht haben.
Freundliche Grüße
Michael Rothe
Zwischenruf zum D-Ticket
Nun ist es also da: das Deutschlandticket (D-Ticket). Alle haben alles gesagt. Und die Welt? Sie dreht sich einfach weiter. Sie haben als Interessierte auch alles gelesen und verfolgt: Den einen ist es immer noch zu teuer, andere befürchten chaotische Zustände. Manche fordern die Freigabe im IC, Verwegene sogar im ICE. Wieder andere wollen, dass es auch im Flixbus/-train gilt. Und die Hundemitnahme? Ist natürlich viel zu kompliziert geregelt. Selbstverständlich berichten Tagesschau und rbb über Schlangen vor Schaltern am 1. Mai, in denen Menschen beklagen, was alles nicht oder nicht perfekt funktioniert.
Ball - flach - halten
Es ist dieser fatale Hang in unserem Land, alles Schlechte zu sehen, der nur noch nervt. Wir sind weit davon entfernt, den Bundesverkehrsminister und seine Verkehrspolitik zu lobpreisen, aber anerkennen dürfen wir doch, dass das Nutzen von Nahverkehrsmitteln so einfach ist wie nie zuvor. Wer jemals auf einen Ticketautomaten im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr geschaut hat, weiß, was gemeint ist. Und um einmal den „Holzhammer“ zu bemühen: Menschen ein paar Hundert Kilometer weiter südöstlich hätten gerne die „Probleme“, die wir hier so häufig beklagen. Natürlich werden die touristischen Hotspot-Strecken und der „Interregio-Ersatzverkehr“, also die langlaufenden RE-Linien, beansprucht werden. Es wird auch hier und da Probleme geben. Das war damals beim „Schönes-Wochenende-Ticket“ so und natürlich auch beim 9-€-Ticket.
Abschaffen! Abschaffen?
Bahnexperte Professor Christian Böttger von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft fordert im Interview mit der Berliner Zeitung: Abschaffen! Mit der interessanten Begründung, nur der pendelnde Mittelstand profitiere davon, obwohl doch Starnberger, Königsteiner, und Bargteheider Pendelnde keiner Entlastung bedürften. Das mag sein. Dachte er da etwa an einen Flugzeuginhaber und Piloten des gehobenen Mittelstands? Mittelstand sind aber auch Polizeibeamte, Pflegekräfte, Angestellte etc. Möglicherweise denken Pendelnde aus Pinneberg, Neuperlach, Marzahn oder sonst wo etwas anders über die Kosten der Mobilität?
Ist das D-Ticket die Verkehrswende?
Die Antwort lautet: Nein. Viele Haushalte, gerade der zitierten Mittelschicht, verfügen über ein Auto, manche auch über zwei und mehr. Das Auto ist, die Autos sind da. Und da der Mensch häufig schlicht ist, rechnet er „Benzin- vs. Ticketpreis“. Das Ergebnis ist bekannt: neben der Verfügbarkeit, der Bequemlichkeit, dem Komfort und der Einfachheit kommt dann häufig noch der Preis: „Das Auto ist billiger“, was in der Regel nicht stimmt, weil die Fixkosten unter den Tisch fallen. Aber egal: vielleicht verleiten 49 €, also nicht einmal die berühmte Tankfüllung, den einen oder anderen doch dazu, anders zu rechnen und das Auto stehenzulassen oder nur bis zum nächsten Bahnhof zu fahren. Im Sinne der CO2-Reduktion hilft das alles.
Professor Böttger sagt, dass erhöhter Subventionsbedarf zu jährlichen Kosten von bis zu 5 Mrd. Euro führen könne. Geld, das für die Aufrechterhaltung des Angebots oder gar den unabdingbaren Ausbau der Infrastruktur (und der wäre Verkehrswende!) fehlen werde oder könne. An dieser Stelle hat er einen Punkt. Denn wer A (D-Ticket) sagt, muss auch B (Infrastruktur sanieren und ausbauen) sagen und vor allem: MACHEN! In diesem Sinne ist die Tarifrevolution vom gestrigen Tag ein Schritt, aber nur ein erster und einer von vielen, die noch kommen müssen, um attraktive(re) Mobilitätsangebote jenseits des Automobils zu schaffen.
Besichtigung BER Terminal 5 (ehemals Flughafen Schönefeld)
Am 26. April 2023 haben wir zur Besichtigung des BER Terminal 5 und einer Rundfahrt zur Entwicklung des Standorts BER/Schönefeld eingeladen.
Die Stadt war nach Corona wieder voller Touristen und durch die Bahnhöfe strömten die Reisenden auf dem Weg zur Familie oder in den Urlaub. Und auch der BER steigerte stetig sein Aufkommen - die Ferienzeiten am neuen Großflughafen waren wieder rekordverdächtig. Und trotzdem: Das als BER Terminal 5 bezeichnete ehemalige Gebäude des Flughafens Schönefeld wird weiterhin keine Verwendung für den regulären Flughafenbetrieb haben. Also: Schauen wir doch einfach mal auf Einladung des BER hinein! Zudem wird im Umfeld des Flughafens gebuddelt und geplant wie sonst kaum in einer anderen Region unmittelbar an der Berliner Stadtgrenze. Im Nachgang der Besichtigung werden wir auf einer kurzen Rundfahrt über die aktuellen Entwicklungen (Verkehr, Städtebau) durch die lokale Politik fachkundig informiert.
Wir trafen uns am 26. April 2023 um 17:45 Uhr vor dem Bahnhofsgebäude des Bahnhofs "BER Terminal 5" (bald "Schönefeld bei Berlin") und gingen gemeinsam zum alten Terminal des Flughafens Schönefeld. Dort nahmen uns Vertreter des BER in Empfang und ermöglichten eine Besichtigung des Gebäudes.
Nach ca. einer Stunde stiegen wir in den Bus und wurden zum BER Terminal 1/2 bzw. durch die Gemeinde Schönefeld gefahren, um die Entwicklung seit der Eröffnung des neuen Flughafens und die zukünftigen Pläne zu präsentieren. Begleitet wurden wir hier u.a. durch den Landrat des Landkreises Dahme-Spreewald, Herrn Stephan Loge. Gegen 20 Uhr wurden wir vom Bus am Bahnhof BER T5 abgesetzt.
Zwischenruf zum Besten für Berlin
"Schlimmes wird uns widerfahren" muss man denken, wenn man die Reaktionen zum verkehrspolitischen Teil des Koalitionsvertrags auf Twitter, aber auch in Tageszeitungen wie "Berliner Zeitung" oder "Tagesspiegel" liest. Da ist vom Ende der Verkehrswende die Rede, das Auto gewinne wieder die Oberhand (die es in den letzten Jahrzehnten und bis heute immer hatte und hat!), A100 und TVO werden gegeißelt, der Straßenbahnbau komme zum Erliegen oder die Straßenbahn gleich abgeschafft. Viele der genannten U-Bahn-Projekte gingen gleich gar nicht, seien irreal und überflüssig. Und nun nominiert die CDU auch noch die "Cheflobbyistin der Berliner Baubranche" zur neuen Verkehrssenatorin (Quelle: Tagesspiegel vom 12.04.2023).
Der Koalitionsvertrag
"Wir wollen ein mobiles und nachhaltiges Berlin. Unsere Mobilitätspolitik setzt auf ein Miteinander und nicht auf ein Gegeneinander. Der Öffentliche Personennahverkehr ist ein entscheidender Faktor für ein mobiles Berlin. … Der Ausbau des [ÖPNV] in Berlin … [hat] einen hohen Stellenwert. Dazu gehören S- und U-Bahnlinien ebenso wie die Straßenbahn, mit denen wir vor allem auch in den Außenbezirken das Mobilitätsangebot verbessern wollen." So beginnt auf Seite 55 der Teil zu "Mobilität und Verkehr". Und ja, man bekennt sich auch zum Radverkehr. Nun ist so ein Koalitionsvertrag immer ein "Wünsch' Dir was" und beschreibt in breiter Prosa, was man alles möchte. Eines aber ist sicher: erstens kommt es anders, zweitens als man denkt (die "Ampel" im Bund kann ein Lied davon singen). Und so ein Koalitionsvertrag ist auch nicht dazu da, festzulegen, dass am 30. Februar 2029 um 11:17h der erste S-Bahnzug nach Gartenfeld fahren wird.
Missverständnis "Mobilitätswende"
Ging die Konfliktlinie um Raum und finanzielle Mittel jahrelang zwischen MIV und ÖPNV, so hat sie sich, das muss man den Lobbyisten des Radverkehrs zugestehen, seit Jahren verschoben. Unter Mobilitäts- bzw. Verkehrswende wird nun gemein-hin der Wandel vom MIV zum Radverkehr beschrieben. Folgerichtig verweist der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Oliver Friederici, im rbb-Studio immer wieder auf die ÖPNV-Passagen im Koalitionsvertrag, während die Moderatorin in Richtung des Radverkehrs insistiert und das Gespräch sinngemäß mit der Bemerkung schließt, nun habe man zum Radver-kehr gar nichts gehört. Offenbar zählen aus Sicht der rbb-Abendschau ÖPNV-Projekte nicht zur Mobilitätswende, denn es war nicht der erste Beitrag in dieser Richtung. Insoweit ist dieser Vertrag aus unserer Sicht ein wohltuender Schritt nach vorne, weil er auch die Interessen der Menschen in den Blick nimmt, die nicht 20 km mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren wollen oder können, die aber vielleicht auch nicht Auto fahren können oder wollen. Oder diejenigen, die das Verkehrsmittel je nach Bedürfnis nutzen.
Und nun?
Es bleiben in der Restlegislatur ja nur noch drei Jahre Zeit. Tendenziell wird es die Straßenbahn schwerer haben, aber wer jahrelang hingebungsvoll diskutiert, wie denn nun die M10 den "Görli" queren soll anstatt Nägel mit Köpfen zu machen oder es nicht vermag, den Knoten Ostkreuz an das Netz anzuschließen, darf sich auch nicht wundern. Andererseits ist der Ansatz, mit ihr die Außenbezirke erschließen zu wollen, aus unserer Sicht ein logisch richtiger. Wir finden ja schon lange, dass Spandau ein gutes Beispiel wäre, verkehrspolitisch ein neues Angebot zu machen und gleichzeitig auch stadträumlich etwas zu tun. Ein Blick nach Frankreich lohnt …
Und die U-Bahn-Projekte? Sich nun mit jedem einzeln hier auseinandersetzen zu wollen, sprengte den Rahmen. Vieles wird "geprüft" und ob jemals eine Kleinprofil-U-Bahn Französisch Buchholz, das Falkenhagener Feld oder Falkenberg erreichen wird, wagen wir zu bezweifeln. Die U6 nach Lichtenrade? Parallelverkehr zur S2 bei noch bestehender Straßenbahntrasse (Parkplätze!) auf dem Lichtenrader Damm. Es steht also nicht zu befürchten, dass, siehe oben, die "Cheflobbyistin der Ber-liner Baubranche" 2024 oder 2025 die Maurerkelle schwingen wird, um eines der genannten Projekte zu beginnen. Schön wäre es ja, wenn sie es mindestens bei der U3 zum Mexikoplatz tun würde.
Was man kritisieren kann: dass durch die genannten Projekte Planungskapazitäten gebunden werden, die für konkretere und vielleicht auch heute schon wichtige Projekte gebraucht werden.
Interessante Details …
… finden sich mehrere. Z.B. die Tatsache, dass die Koalition für den "S-Bahn-Betrieb aus einer Hand" stehe. Da die Infra-struktur bekanntermaßen der DB gehört, kann das eigentlich nur heißen, dass man sich die Ausschreibungen "Nord-Süd" und "Stadtbahn" eigentlich sparen kann. Es sei denn, … aber ach, lassen wir das. Auch interessant: der "Stammbahn-Vor-laufbetrieb" Wannsee bis Rathaus Steglitz wie auch die sinnvolle Verwendung der Goerzbahn finden Erwähnung im Koali-tionsvertrag. Und sogar das Berliner S-Bahn-Museum sowie das 100-jährige Jubiläum der S-Bahn, 2024, werden aufgelistet.
Outlook
Schlimmes wird uns also nicht widerfahren und, siehe oben, erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Wir finden: es stehen viele vernünftige Dinge im Koalitionsvertrag und wenn das tatsächlich auch gelebt würde, wäre das schon mal ein guter Anfang. Verkehrspolitik gehört, so viel lässt sich sagen, auch weiter zu den zentralen Berliner Themen. Denen, die das zivilgesellschaftlich begleiten, wird die Arbeit also nicht ausgehen.
Wie heißt es so schön? Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Wir sollten also dem Neuen und den Neuen eine Chance geben.
Besuchen Sie das geschlossene BER Terminal T5 und erfahren Sie mehr zur Entwicklung rund um den Flughafen BER! Anmeldung unter Veranstaltungen!
6. April 2023
VIV-Shortcuts 3: „Et hätt noch immer jot jejange“?
Das Kölsche Grundgesetz sagt in §3: „Et hätt noch immer jot jejange“ (Q: koeln.de) und so haben wir den Streik-Montag trotz düsterer Prognosen, Deutschland stehe für einen Tag still mit wenig Problemen überstanden. Der Zug der Zeit: Drama, Extreme, Düsternis. Aber die Welt? Sie dreht sich einfach weiter. Bevor Sie in die Tasten greifen: wir reden damit die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht klein!
Die S-Bahn Berlin Anfang Februar auf Twitter: „#S85: Auf Grund verschiedener Gründe fallen bei der S85 Zugfahrten aus“. Auf Grund verschiedener Gründe – darauf muss man erstmal kommen. Und auch sie sind wieder da: die allseits beliebten „Verzögerungen im Betriebsablauf“. Sollten die nicht aus der Kundeninformation verbannt werden? Das würde dann noch getoppt von: „Auf Grund verschiedener Gründe Verzögerungen im Betriebsablauf“. Dann wäre alles klar.
„Planungen für U5 deutlich weiter als gedacht“ titelt eine Tageszeitung und schreibt weiter: „Was sich bei dem für den Senat bedeutenden Megaprojekt U5 jetzt abzeichnet: Planungen und Gespräche mit Experten, Partnern, Beteiligten, Anwohnern und Klägern [!] sind viel weiter als gedacht.“ Und zu Klagen: „Offenbar gehen in Geheimgesprächen beide Seiten aufeinander zu.“ Ein Gerichtssprecher wird zitiert: „Mit Blick auf außergerichtliche Gespräche zur Beilegung der Streitigkeiten wurde das Gericht … seitens der Beteiligten gebeten, von … einer Entscheidung der Verfahren einstweilen abzusehen.“ Bullerbü? Nein, Hamburg (Zitate aus Hamburger Abendblatt vom 05.01.2023, die uns von einem überzeugten Hanseaten zur Verfügung gestellt wurden. Danke dafür!). Vielleicht schaut Berlin mal in die Nachbarstadt?
Der Tagesspiegel weiß zu berichten, dass für den Umbau der chronisch verstopften Kreuzung Ritterfelddamm/Potsdamer Chaussee an der Grenze von Kladow zu Glienicke die bundeseigene Autobahn GmbH beauftragt wurde. Aber es ist ja nicht nur die Kreuzung, sondern da sind auch die staugeplagten Wege nach Spandau: Potsdamer Chaussee und Kladower Damm/Gatower Straße. Besser wird es nicht: Potsdam erweitert sich nach Norden mit dem „Krampnitz-Projekt“, das an die Straßenbahn angeschlossen werden wird. Tja, und warum dann nicht auf eigener Trasse weiter nach Spandau? Gibt es ein besseres Anwendungsgebiet für eine moderne Stadtbahn? Das wäre ein gutes Projekt, um #Verkehrswende sichtbar zu machen. Potsdamer Busse sieht man schon heute täglich am Rathaus.
Apropos Autobahn GmbH, die um Mitarbeitende wirbt: „Mach Karriere beim Erfinder der Überholspur.“
Nun ja.
Zwischen 04.08. und 08.12.2023 gibt es bei der Fernbahn zwischen Charlottenburg und Griebnitzsee eingleisigen Betrieb und Vollsperrung. Als Gründe nennt die Bahn Gleiserneuerung und Bahnsteigerhöhung in Wannsee. Dort sind die Fernbahnsteige 76 cm hoch. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfuhren, werden nun in einem Pilotprojekt zwischen DB Netz, DB Station & Service, IB Innovations sowie der ODEG die Bahnsteige so erhöht, dass zukünftig ein niveaugleicher Einstieg in den Oberstock der Desiro HC-Züge der ODEG möglich ist. Die ersten Züge werden heute zum Umbau in die Siemens-Werke Krefeld und Wegberg- Wildenrath überführt.
Die Koalitionsverhandlungen neigen sich dem Ende zu. Hoffen wir, dass das Ergebnis mehr sein wird als „Ich geb' Dir die U7, wenn Du mir die A100 gibst.“ Ein Zielkonzept, wie Stadtverkehr der Zukunft unter den Bedingungen eines verschärften Klimaproblems abgewickelt werden wird, wäre schön. Ein Konzept, dass auch politisch vermittelbar ist. Man wird ja noch träumen dürfen.
Zwischenruf zu U-Bahn-Visionen
Und schon wieder ein Aufreger: Die BVG will das U-Bahnnetz langfristig um 170 km erweitern und vermehrt in die Außenbezirke bringen, um die oftmals beklagte Ungleichheit zwischen der Erschließung der Tarifgebiete A und B zu reduzieren.
Fangen wir mit dem Banalen an:
Wer heute, sagen wir mal, am U-Bahnhof Schlossstraße einsteigt und auf die U9 wartet, für den entstammen solcherlei Visionen sicher aus einer anderen Galaxie. Die Stationen in überschaubarer Zeit wieder auf Vordermann zu bringen, auf stark nachgefragten Innenstadtlinien wie der U5 nicht nur zuverlässig, sondern vielleicht auch einen dichteren Takt zu fahren, sind Ziele, die deutlich konkreter anmuten. Und weil wir mit der Verkehrswende ja Menschen überzeugen (nicht zwingen) wollen, auf das Auto zu verzichten, wären ein angenehmes, sauberes und sicheres Umfeld sowie entsprechende Fahrzeuge auch nicht das Schlechteste.
Nun ist also große Aufregung über ein 16-seitiges Papier, das in der Öffentlichkeit bis dato nicht bekannt ist. Von „Gut – Mut zu Ideen“ bis „Da hat jemand mit Buntstift ein irreales Linien-Wünsch' dir was zu Papier gebracht“, reichen die Reaktionen. Die Presse hat den Netzplan begierig aufgegriffen und alle ÖV-Interessierten arbeiten sich daran ab. Und es ist ja auch zu schön: die Stummellinie U4 vom Glambecker Ring in Marzahn bis zur Appenzeller Straße in Lichterfelde, die U3 von Düppel-Kleinmachnow bis Falkenberg. Beides übrigens Kleinprofil-Linien.
Angeblich wolle die BVG auf die Koalitionsverhandlungen einwirken und den beiden Parteien, den unterstellt wird, a) gegen die Straßenbahn und b) für das „Verbannen“ des öffentlichen Verkehrs unter die Erde zu sein, um c) den Autoverkehr nicht zu stören, eine Argumentationshilfe bieten. Wir sind also wieder grundsätzlich.
Daher wäre es hilfreich und richtig, wenn das Skizzenpapier in Gänze öffentlich diskutiert würde. Wenn bekannt würde, ob es ein wirkliches Konzept dahinter gibt? Ein Konzept, aus dem beispielsweise hervorgeht, wie sich U- und Straßenbahn ergänzen, wie mit dem sanierungsbedürftigen Bestandsnetz umgegangen wird und nicht zuletzt, wie sich dieses Zielnetz mit der Berliner S-Bahn und den „Express-S-Bahnen“ (RE, RB) sowie den Planungen hierzu vernetzt. Nur dann ist doch eine sinn- und wertvolle, verkehrspolitische Diskussion möglich.
Ein Beispiel: die U6 zur Nahariyastraße (Lichtenrade). Eine Strecke im weitesten Sinn parallel zur S2, die ehemalige Straßenbahntrasse auf dem Mittelstreifen des Lichtenrader Damms ist noch erkennbar vorhanden. Natürlich lohnt hier eine Diskussion, ob es langfristig zusätzlich einer U-Bahn bedarf, ob dereinst die Straßenbahn auf eigener Trasse von der Buckower Chaussee kommend fahren oder der Verkehr weiterhin mit dem Bus abgewickelt werden soll? Ohnehin reden wir hier über Zeiträume von mehreren Jahrzehnten.
Der Ansatz, auch einmal groß zu denken, ist vom Grunde her nicht schlecht. So braucht es de facto berlinweit Alternativen zum MIV. Viel zitierte Städte wie Paris oder Madrid, die im innerstädtischen Bereich nahezu autofreie Bereiche schaffen, investieren ebenfalls massiv in die Infrastruktur. Der Unterschied? Es wird offenbar weniger geredet, Machbarkeiten und Varianten immer und immer wieder geprüft, geredet etc., nein, es wird scheinbar einfach gemacht. So manches i2030 Projekt legt Zeugnis ab von unserem Zaudern und Zagen.
Deswegen: Macht das Skizzenpapier öffentlich! Lasst eine Diskussion zu, die substanzieller ist als irgendwelche Aufregungen bei Twitter & Co. So wie es jetzt ist, bleibt es eine Phantomdiskussion. Und lasst uns mit Hinblick auf den Klimawandel mutiger werden. Dann wird es auch was mit der Verkehrswende.