„Zwischenruf“ … ein bißchen radlos ….

Nein, wir wollen nicht den billigen Gag – und verlassen mal eben unser Feld für einen kurzen Moment. Gestatten Sie uns bitte nur einen kurzen Gedanken, der natürlich nicht die Welt erklärt. Das macht sowieso nur die „42“.

Wahrscheinlich ist es normal, dass Gesellschaften in Transformation und/oder Krisen gereizt und relevant viele Menschen auf Veränderungen aversiv reagieren: sei es bei einer vergleichsweisen Nebensächlichkeit wie dem Gendern, der Wärme-/Energieversorgung oder auch des Deutschen scheinbar noch immer liebsten Kind: dem Auto (in der Stadt!). Dinge aber ändern sich, Restauration scheint unmöglich. Nur ein Beispiel: eine Anstellung bei Siemens (bei VW, BASF, der Post, der Bahn, etc) wird nie wieder quasi beamtenhaft sein wie weiland in den Siebzigern/frühen Achtzigern der alten BRD. Das kommt nicht wieder, die Sicherheit ist weg. Und das gilt eben in vielen anderen Bereichen auch: wir brauchen (integrierte) Fachkräfte, massive wirtschaftliche Konkurrenz ist entstanden durch neue Player am Weltmarkt, der (menschengemachte) rapide Klimawandel, Krieg in Europa – all das sind massive Herausforderungen, die Unsicherheiten erzeugen. Umso wichtiger ist es, politisch zu erklären, was man tut, sich mit den Ängsten auseinanderzusetzen, sich der Diskussion zu stellen. Und die andere Seite, die sich, wie in Thüringen, nicht scheut, zu gut einem Drittel einen Extremisten wählen zu wollen? Es hilft nichts, aber „Politik“ muss versuchen, wieder in den Diskurs zu kommen, einen Austausch der Meinungen zu ermöglichen. Denn es gilt nach wie vor die goldene Regel einer jeden Diskussion: Auch der andere könnte Recht haben!

Zurück in das Klein-Klein der Berliner Verkehrspolitik

Große Aufregung: die neue Verkehrssenatorin stoppt die Verkehrswende, kein einziger Parkplatz solle für einen Radweg „geopfert“ werden, die Friedrichstraße wird wieder dem Auto Untertan gemacht und nun legt sie auch noch Axt an die Tram-Planungen. Die sogenannten serösen Zeitungen schäumen, die Radfahrer-Community tobt. Es ist sicher alles andere als ungewöhnlich, dass eine neue Regierung, ein neues Management, sich einen Überblick verschafft. Und, na klar, mit einer anderen verkehrspolitischen Ausrichtung kommt man wohl auch zu anderen Bewertungen.

Auch hier gilt: Ball flach halten!

Die Senatorin verweist auf den Koalitionsvertrag, nach dem der Ausbau des ÖPNV das Rückgrat der Verkehrswende sei. Wir finden: richtig! Natürlich solle der Radverkehr als integraler Teil der Verkehrswende gefördert, aber eben auch die Interessen der Autofahrenden berücksichtigt werden. Nun: die Interessen der Autofahrenden wurden in den letzten Jahrzehnten schon sehr berücksichtigt und den berühmten Gürtel enger zu schnallen (= Platz abgeben), fällt schwer. Nehmen Sie als Beispiel die Kantstraße in Charlottenburg oder die Sonnenallee in Neukölln: die sind so breit wie sie sind. Eine Park-, zwei Fahrspuren, eine ÖV-Spur (sei es als Schiene, sei es als Busspur) sowie auskömmliche Geh- und Radwege werden nicht funktionieren. Interessenkonflikte liegen auf der Hand. Und die müssen austariert werden, indem, ja, das ist so, genommen und gegeben wird, so dass am Ende ein Kompromiss steht, den man schneller findet, wann man miteinander redet, diskutiert, Argumente austauscht. Auch der andere könnte Recht haben.

Kompromiss

Der Kompromiss hat in der gegenwärtigen Diskussionskultur ein schlechtes Image. Vorzugsweise ist es ein „fauler“ oder „mit dem geringsten gemeinsamen Nenner“. Und natürlich braucht es in der medialen Dramaturgie „Gewinner“ und „Verlierer“, „Helden“ und „Loser“. Nein, der Kompromiss gehört dazu! Und nur so, mit Kompromissen, werden wir auch in der Berliner Verkehrspolitik weiterkommen – rüsten wir also einfach mal verbal ab. Auch der andere könnte Recht haben.

Freundliche Grüße
Michael Rothe