Zu Pleiten, Pech und Pannen oder: Quo vadis, U3?
Eines der frühen und erfolgreichen VIV-Veranstaltungsformate hieß „Pleiten, Pech und Pannen der Berliner Verkehrspolitik“. Warum gibt es das dann nicht mehr? Wegen der massiv gestiegenen Charterpreise für den Bus kämen dabei Teilnehmerbeiträge heraus, bei denen sich der eine oder andere auf gut berlinerisch fragen mag: „Haben die sie noch alle?“ Und wenn die Hälfte der Plätze leer bleibt, können wir als Verein das nicht dauerhaft subventionieren.
Aber zurück zum Thema: Es gibt sie noch, die Pleiten, das Pech und die Pannen der Berliner Verkehrspolitik.
Beispiele gefällig?
Die Posse um den Radweg in der Charlottenburger Kantstraße, die Busspur in der Clayallee, die Straßenbahn-Wendeschleife Blockdammweg, die Straßenbahn zum Ostkreuz, die wegen maroder Gleise bevorstehende Stilllegung der Linie 21, der erste Bauabschnitt der City S-Bahn, die Straßenbahn in Mahlsdorf oder auch die Knesebeckbrücke zwischen Steglitz-Zehlendorf und Teltow. Die Liste ließe sich wohl fortsetzen.
Und nun die U3?
Zugegeben, es gibt sicher Projekte mit höherem Nachfragpotential als es die kurze U3-Verlängerung darstellt. Richtig ist aber auch: die Lücke zwischen U-Bahnhof Krumme Lanke und S-Bahnhof Mexikoplatz „schreit“ danach, geschlossen zu werden. Man muss kein Verkehrsplaner zu sein, um zu verstehen, dass ein dicht geknüpftes Netz mit neuen Umsteigebeziehungen zwischen Schnellbahnen zusätzliche Nachfrage generiert.
Vor diesem Hintergrund entstand zunächst die Idee „small is beautiful“: wir verlängern nur ein Gleis des ohnehin schon relativ weit reichenden Tunnels und bauen vor der S-Bahn eine U-Bahnstation mit nur einer Bahnsteigkante. Relativ geringe Kosten, relativ schnell umsetzbar und der gegenwärtigen Fahrgastnachfrage durchaus entsprechend.
Daraus ist nun etwas ganz anderes geworden: Es geht unter der S-Bahn hindurch und südlich davon entsteht ein Bahnhof mit zwei Seitenbahnsteigen und sich anschließender Aufstell- und Kehranlage, die fast bis an die Potsdamer Chaussee reicht. Das ist teuer und aufwendig.
Widerspruch unterschätzt?
Nach dem Ende der Auslegungsfrist der Planunterlagen formiert sich nun Protest in Form einer, Sie ahnen es, Bürgerinitiative. Das diese relativ finanzkräftig ist, darf man getrost voraussetzen. Mit entsprechender Bildsprache werden wüste Behauptungen postuliert: „10 Jahre Horror-Baustelle“, „CO2-Schleuder“ und „Kein Nutzen für Fahrgäste“ sind nur einige der Slogans. Es ist wie so oft (übrigens auch bei der Potsdamer Stammbahn): egoistische Interessen werden mit vermeintlich selbstlosen, gesamtgesellschaftlichen Argumenten verbrämt. Da sind die Anwohnenden in der Sonntagstraße allerdings bereits einen Schritt „weiter“ – sie versuchen letzteres erst gar nicht.
Aktuelle Form der Bürgerbeteiligung noch zeitgemäß?
Wir sind nicht die Ersten, die sich die Frage stellen, ob die Bürgerbeteiligung in Deutschland in der vorhandenen Form noch zeitgemäß ist? Vereinfacht gesagt läuft es so, dass die Bürger im Zuge des Planfeststellungsverfahrens mit dem finalen Ergebnis konfrontiert werden und erst dann Gelegenheit zum Widerspruch besteht. Das Ergebnis ist hier zu besichtigen. Man muss kein Prophet sein, dass es Klagen geben wird und dass das einstmals als „schnell“ und „klein“ gedachte Projekt auf unabsehbare Zeit verzögert werden wird. Andere Länder machen es uns vor: die Bürgerbeteiligung viel früher und aktiv umsetzen, die Bürger „mit auf die Reise nehmen“, Bedenken und Kritik ernstnehmen. Kommunikation auf der berühmten Augenhöhe erzeugt Akzeptanz. Wenn in Berlin die Senatsverwaltung über die Auslegung der Unterlagen im Zuge der Planfeststellung informiert, steht über der Anzeige: „Wir geben bekannt“. Sagt das was?
Eines der bekannteren Beispiele: In Dänemark gab es 5 (in Worten: fünf) Einwendungen gegen das Projekt „Fehmarnbelt-Tunnel“ zwischen Lolland und Fehmarn.
Ein Blick zurück in die Zukunft
Die großen Berliner Fernbahnhöfe des 19. Jahrhunderts? Vor den Toren der Stadt. Die Ringbahn? Vor den Toren der Stadt. Der Generalszug? In der Entstehungszeit zu groß. Die U-Bahn in das „Nirwana“ Ruhleben? Für den Schnellbahnschluss Spandaus gedacht (der dann anders realisiert wurde).
Alle diese Beispiele zeigen: für die Zukunft, gedacht, geplant – und realisiert.
Wir dagegen bauen und planen im Hier und Jetzt: Bahnsteige zu lang? Kürzen wir auf die bestellte Zuglänge. Flächen ehemaliger (innerstädtischer) Güterbahnhöfe? Entwidmen und verkaufen. Überholgleise samt Weichen? Sparen wir uns.
Mit dem Blickwinkel vorhergehender Generationen kann man natürlich auch über die Möglichkeit einer Verlängerung der U-Bahn nach Düppel und Kleinmachnow nachdenken. Ob es dereinst notwendig wird, steht in den Sternen.
Dem entgegen stehen Kleinmut und Egoismen (eines sei klargestellt: niemand ist über eine Großbaustelle „vor der Tür“ begeistert!), notwendig sind visionäres und generationenübergreifendes Denken sowie Zuversicht. Nicht nur in der Argentinischen Allee, am Mexikoplatz und in den umliegenden Straßen.
Gerade die Zuversicht stünde uns allen, den Autor eingeschlossen, gut zu Gesicht.