VIV-Shortcuts VIII

@bvg_kampagne nun auch bei DB-Fernverkehr?
Dieses Bild wirft Fragen auf: Hat die Selbstironie DB Fernverkehr gepackt? Macht Frau Nikutta nun auch das Marketing für DB Fernverkehr? Oder gar die berühmt-berüchtigte @bvg_kampagne? Wir wissen es nicht. Wer allerdings zwei Stunden, dazu gleich mehr, zu spät ankommt, findet es vielleicht nicht mehr ganz so witzig. BVG-Kunden können von der Unart, Schlechtleistung mit frechen Sprüchen „wegzuspielen“, ein Lied singen. Aber das ist ja nun auch vorbei – zumindest auf „X“. Die Matten, so liest man in Foren, sollen wie weiland die Zuglaufschilder ihre Liebhaber gefunden haben.

Kein Bahn-Bashing …
Bonn Hbf – der Sprinter-ICE 1159 nach Berlin, mit Halt im Bahnhof Zoo (!), steht bereit. Mit nur wenig Verspätung geht es los nach Kölle. Von „sprinten“ ist zu dieser Zeit wenig zu merken – im Führerstand tönt es ständig „Störung, Störung“ und der Zug kommt auf freier Strecke zum Stehen. Irgendwann geht es weiter. Der Navigator begründet die Verspätung in Köln Hbf mit einem „vorausfahrenden Zug“. Nun ja.

Köln wird mit rd. 15 Minuten Verspätung verlassen und der Zugchef jubiliert: „Wir sind der Sprinter. Sie werden es kaum glauben, unser nächster Halt Berlin-Spandau.“ Es wird anders kommen. Hinter Hamm, in den Weiten Ostwestfalens, kommt der Zug zum Stehen. Dann ist der Strom weg, Personal verlässt den Zug. Man hört, ein Stromabnehmer sei verbogen. Nun, der ICE 4 hat zwei davon, aber die Transportleitung entscheidet, dass mit max. 100 km/h nach Bielefeld gefahren wird und der Zug dort endet. Es wartet der ebenfalls verspätete ICE 655 – sieben sehr gut gefüllte Wagen des 1159 sollen vom ebenfalls siebenteiligen 655 aufgenommen werden. Deshalb gibt das Zugteam den gut gemeinten Ratschlag, dass fünf Minuten später der ebenfalls verspätete 645 noch folgen würde und leerer sei. Ein Fehler, wie sich zeigen wird.

Denn in dem Augenblick, in dem sich die Türen des 655 schließen, vergrößert sich die Verspätung des 645 auf 20 Minuten. Am Ende werden es 90 Minuten sein. Der um 21:38 fahrende ICE 947 fällt gleich ganz aus. Irgendwann kommt dann die Doppeleinheit aus zwei ICE 4, wobei allerdings die erste in Bielefeld verbleibt. Stromabnehmerschaden. Statt um 22:03h erreicht der Reisende Berlin-Spandau um 00:25h.

Es sind nicht die technischen Schäden, die verstören. Es ist die Nicht-Kommunikation. Das Zugteam aus dem gestrandeten 1159 steht auf dem Bahnsteig, weiß selber nicht, ob sie nun nach Berlin oder in ihre „home base“ zurück nach Köln fahren sollen. In Bielefeld Hbf steht niemand auf dem Bahnsteig, es gibt keinerlei Durchsagen. Außer natürlich die, die um Verständnis „for any inconvenience“ bitten. Erstaunlich: keine Wut, kein Aufbäumen der Kundschaft mehr, es wird still ertragen. Das spätere Team im 645 gibt sich zerknirscht, muss es ausbaden. Man muss vor den Mitarbeitenden „an der Front“ den Hut ziehen, denn es sind sie, die das Unternehmen beim Kunden vertreten müssen. Zuweilen gelingt das nur mit Selbstironie. Wo wir wieder bei der Fußmatte vom Anfang wären: „Am Anfang hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.“

Ein Bild zur #Verkehrswende
Versprochen wird „WLAN im Zug“, „Steckdosen“, „Komfort“, „Barrierefreiheit“ etc. etc. Mit dem Komfort ist es so eine Sache: Wer schon einmal in einem vollbesetzten TALENT II, z.B. auf dem RE7, gereist ist, bekommt ein anderes Komfortverständnis, als er oder sie es vielleicht aus dem Auto gewohnt ist. Sicher ist: Komfort und Einfachheit eines eigenen Autos wird der öffentliche Verkehr niemals erreichen können. Er kann sich dem aber annähern und die Nutzung möglichst angenehm machen. Dazu gehört auch das Umfeld, in dem ich mich bewege. Und da möchten wir Ihnen ein Bild unseres Lesers Matthias Krause nicht vorenthalten. Es wurde aufgenommen in Brandenburg/Havel und spricht für sich. Wer möchte da nicht den ÖV benutzen?

U-Bahnen – (fast) ganz automatisch
In Nürnberg fahren seit Jahren mehrere U-Bahnlinien vollautomatisch (sog. Level 4) in dichtem Takt. Nürnberg kann also nicht zu den Städten gehören, in denen lt. unserer Verkehrssenatorin „… alle 10, 15 Minuten eine Bahn“ kommt. Nürnberg hat das System des Herstellers HONEYWELL nachgerüstet – ohne Bahnsteigsperren. Dumm nur, dass die Produktion eingestellt wurde, denn für Bestandssysteme war es schlichtweg genial. Berlin bekommt nun auf U5 und U8 bis Ende des Jahrzehnts/Anfang der Dreißiger einen Level 2-Betrieb – das ist assistiertes Fahren. Hatten wir übrigens auch schon für lange Zeit auf der U9. Vielleicht in Zeiten von Personalknappheit und der Schwierigkeit, ein Bestandssystem mit Bahnsteigtüren etc. technisch nachzurüsten, doch noch mal mit potentiellen Herstellern reden?

Veranstaltungshinweis
Und wo wir gerade bei der U-Bahn sind: Wir freuen uns, dass es dieses Jahr wieder eine Veranstaltung bei der Berliner U-Bahn geben wird! Der 19. Oktober ist dafür geplant. Save The Date!

Die EM, die Politik, die Bahn …
Die EM ist vorbei – der Pokal ist in Madrid und nicht in Marzahn. Die Bahn hat sich die obligatorische Häme abgeholt und mancher Politiker ergeht sich in Ratschlägen, wie es geht. Herr Bareiß, Mitglied des Bundestages, fordert zum Beispiel, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn müsse zurücktreten, wenn er zur Sanierung nicht fähig sei. Das ist zynisch.

Der Oppositionsführer fordert weniger Züge im Netz. „Das Netz ist zu voll“ sagen auch seit längerer Zeit anerkannte Experten, die wir an dieser Stelle nicht namentlich nennen wollen. Nur: die Züge auf den Magistralen sind es auch, denn die Nachfrage im Fern- und Regionalverkehr ist ja, trotz aller Unzulänglichkeiten, da.

Wir geben zu: Wer in Legislaturperioden denkt, vielleicht auch denken muss, für den ist es natürlich reizvoller, ein Band bei der Streckeneröffnung zu zerschneiden oder wenigstens eine Taktverdichtung bekanntzugeben als die Änderung der Gleisgeometrie in Berlin-Spandau zu feiern.

… und der Deutschlandtakt
Wann haben Sie das letzte Mal was vom „Deutschlandtakt“ gehört? Also 2030 und nicht 2070? Die Idee des Deutschlandtakts ist ja nicht nur ein Zielfahrplan, sondern als Voraussetzung dafür auch die Engpassbeseitigung zur Erhöhung der Kapazität. Das bleibt nach wie vor richtig und ist natürlich eine Aufgabe, die über eine Wahlperiode deutlich hinausgeht. Es wäre zu wünschen, dass es aus der Bevölkerung heraus den Wunsch nach einer besseren Eisenbahn gibt und so ein verkehrspolitischer Handlungsdruck entsteht. Nachhaltig.

In eigener Sache
Daher ist eigentlich JETZT die Zeit, in der Verkehrspolitik etwas zu bewegen. Ohne den sprichwörtlichen Schaum vor dem Mund, an der Sache orientiert und mit Leidenschaft für die Verbesserung des Angebots im öffentlichen Verkehr. Haben Sie schon mal über eine Mitgliedschaft im VIV nachgedacht?

Nun sind es eher „Longcuts“ geworden, aber dafür haben Sie jetzt auch erstmal Ruhe vor uns. Wir verabschieden uns in die Sommerpause und wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser: Schöne Ferien!

Ihr VIV-Team