Zwischenruf …zur Berliner S-Bahn

Versuche mit elektrischen Fahrzeugen gab es im Berliner Nahverkehr schon vor deutlich mehr als 100 Jahren, aber gemeinhin gilt die Aufnahme des regulären elektrischen Betriebs zwischen Stettiner Bahnhof und Bernau am 08.08.1924 als Geburtsstunde der Berliner S-Bahn (wobei dieser Begriff erst später geprägt wurde).

Dieses Jubiläum feiern wir 2024 und wer auf die Website s-bahn-festival.berlin geht, erfährt folgendes: „Hier entsteht eine neue Internetpräsenz“. Das ist schön und schließlich sind es ja noch fast zwei lange Monate bis zu den Feierlichkeiten. Immerhin: das Presse- und Informationsamt des Landes Berlin teilte am 25.04. grob mit, was geplant sei. Wir lassen uns überraschen.

Was ist eine S-Bahn?
Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart und (mit Abstrichen) Rhein-Ruhr/Köln sind aus unserer Sicht wirkliche S-Bahnnetze, also urbane Verkehre in (meistens) dichtem Takt, die das Umland mit der Stadt verbinden und gebündelt durch die City geführt werden. Jeweils hohe Fahrgastnachfrage kennzeichnet diese Netze.

Und was nicht?
Das Breisgau hat eine, Rostock und Hannover auch, die Ortenau, die Rhein/Neckar-Region oder gleich ganz „Mitteldeutschland“ – alles sogenannte S-Bahnen. Wobei man schon fragen darf, ob Verkehre nach Nienburg, Paderborn, Breisach, Seebrugg, Geithain oder Jüterbog mit der Marke „S-Bahn“ richtig bezeichnet werden? Sei’s drum: Wer will, kann im Stundentakt mit einer „S10“ von Donaueschingen nach Titisee oder weiter über Kirch- nach Himmelzarten fahren. Man sieht zweierlei: Die Marke „S-Bahn“ wird einerseits ein Stück weit ad absurdum geführt, andererseits hat sie Strahlkraft, denn es hört sich halt gut an, wenn man eine „S-Bahn“ hat ….

„Wer billig kauft, kauft zweimal“ …
… werden sie sich vielleicht in Hannover sagen, wo man das S-Bahn-Netz „privatisiert“ hat. Wobei: der mit 66% größte Anteilseigner ist mitnichten „privat“. Die von uns so bezeichneten „echten“ S-Bahnen eint ein Merkmal: Infrastruktur, Fahrzeuge und Betrieb sind in einer Hand, also der bundeseigenen Deutschen Bahn AG (DB). Von Hannover führt der Weg geradewegs nach Berlin, denn auch hierzulande will (oder wollte?) man wieder mal alles anders machen. Für die Teilnetze „Stadtbahn“ und „Nord-Süd“ hat man eine dermaßen komplizierte Ausschreibung auf den Weg gebracht, dass selbst Experten es schwer haben, die vielen Kombinationsmöglichkeiten aufzuzählen.

Eine (!) der Legitimationen für dieses Vorgehen war „DB erzielt Monopolgewinne“. Nur: Die DB ist ein Unternehmen „in Volkes Hand“, denn Aktionär ist die Bundesrepublik Deutschland. Wenn ich als Inhaber mit den Leistungen meines Unternehmens nicht zufrieden bin, und das darf man sicher in manchen Bereichen sein, dann ist das eine Führungsaufgabe. In diesem Fall: VerkehrsPOLITIK. Dass Regionalisierungsmittel des Landes Berlin im Zweifel als Dividende an den DB-Eigentümer Bund ausgeschüttet werden, ist unseres Erachtens aus Nutzersicht zu vernachlässigen. Und wenn wir #Verkehrswende wollen, kann es nur um die Nutzerinnen und Nutzer gehen – gegenwärtige wie zukünftige.

Zersplitterung von Verantwortlichkeiten droht!
Ohne der Berliner Politik zu nahe treten zu wollen, aber ob man das Vertrauen aufbringen darf, dass am Tag X in Friedrichstraße der Umstieg von einer S2 des Betreibers A (der Züge von B nutzt) in eine S5 des Betreibers C (der wiederum Züge von D nutzt) klappt? Das alles übrigens auf Infrastruktur von DB InfraGO – und die Werkstättenfrage haben wir dann auch noch nicht geklärt. B und D übrigens müssen nach ein paar Jahren ihre Züge an das Land verkaufen …. Nein, die Zersplitterung von Verantwortlichkeiten kann unseres Erachtens dauerhaft nicht zuverlässig funktionieren, zumal im Falle von Störungen, Bauarbeiten etc. Im Kleinen erlebt man das schon heute bspw. beim RE1. Wenn die DB baut und Änderungen im Fahrplan notwendig werden, sucht man den RE1 vergebens (denn der ist ja ODEG). Fahrgastabitur.

Keine …
… Experimente! So lautete mal vor sehr vielen Jahren ein Wahlslogan zu einer Bundestagswahl. Und eigentlich möchte man das auch der Berliner Politik zurufen: Keine Experimente mit dem ÖPNV! Seht zu, wie Ihr aus der vergaberechtlichen Sackgasse kommt – aber bitte nicht auf dem Rücken der Nutzerinnen und Nutzer. Selbst Hamburg hat es mit seiner Gleichstrom-S-Bahn vergaberechtlich hinbekommen. Das sollte hier also auch gehen.

Und wo wir schon bei Wünschen sind
Der Berliner S-Bahn auch weiterhin gute und vor allem unfallfreie Fahrt in den nächsten 100 Jahren! Aus ausgebauter Infrastruktur (Bahnsteigkanten, zweite Gleise, Blockabstände, …), neuen Strecken (Siemensbahn, Stahnsdorf, Falkensee/Falkenhagener Feld, Grünau-Buch über den Außenring, …) und neuen Fahrzeugen (Stichwort 100 km/h, bessere Beschleunigung und Fahrgastinfo als in der BR 481, ….).