VIV-Shortcuts V
„Let’s do this Verkehrswende Ding!“ wirbt die Berliner S-Bahn. Ja, würden wir ja gerne, aber „Fahrzeugstörung“, „Signalstörung“, „Weichenstörung“, „Personen im Gleis“, „Zug fällt aus“, „Reparatur an der Strecke“, „S85 verkehrt nicht“, ….
Apropos S85: das letzte Habitat der „Cola-Dosen“, wie die Baureihe 485 genannt wurde. An diesem Wochenende ist große Verabschiedung; die letzten Züge gehen nach gut 30 Jahren Einsatzzeit in den Schrott. Für Berliner Verhältnisse, die ältesten U-Bahnwagen zum Beispiel stammen aus dem Jahr 1974, ist das eher wenig. Obwohl die Baureihe dereinst Erprobungsträger für ZBS (das ist die aktuelle Sicherungstechnik) war, wurde in Serie nicht umgerüstet: zu störungsanfällig, zu wartungsintensiv, zu wenig komfortabel. Mit dem Wegfall der letzten Fahrsperren und der Umrüstung auf die aktuelle Technik fällt auch das letzte Einsatzgebiet weg. Was auch bedeutet: es wird keinen betriebsfähigen Museumszug geben. Ihr Ende finden die Züge bei einem bekannten Verwerter in Leverkusen-Opladen. Ein Motorwagen scheint dauerhaft gesichert: 485 129 steht im Deutschen Technikmuseum.
Da Verabschiedungsfahrten mit nicht vertragskonformen Zügen und Fahrzeugen im Verkehrsvertrag nicht vorgesehen sind, bedurfte es einiger Anstrengung, mit dem Aufgabenträger (VBB) eine Einigung hinzubekommen, um Strafzahlungen („Pönale“) für nicht vertragskonforme Leistungen zu vermeiden. So hört man. Regeln wir uns zu Tode?
„Und da isse wieda: Die Seilbahn!“
Viel Raum wird im Tagesspiegel vom 07. November einer Dame eingeräumt, die um ein Wäldchen auf der seit Jahrzehnten freigehaltenen S-Bahntrasse nach Stahnsdorf fürchtet und stattdessen, ja, genau, eine Seilbahn vom heutigen Endpunkt Teltow Stadt nach Stahnsdorf vorschlägt. „Let’s do this Verkehrswende Ding“!
Fachleute staunten und Laien wunderten sich beim Aufschlagen der Tageszeitungen am gestrigen Mittwoch: Berlins Senat beschließt den Bau einer Straßenbahnstrecke! Ja, kann denn das wahr sein? Offenbar schon – und dann auch noch ein sinnvolles Projekt: Verlängerung der heutigen Linie 60 von Schöneweide/Johannisthal bis zur Gropiusstadt mit dem dortigen Einkaufszentrum. Wir wollen uns hier nicht in Häme ergießen über Berlins angebliche „Autosenatorin“ Schreiner und stellen fest: in diesem Fall siegt die Vernunft für ein gutes Projekt. Und da ÖV-Verfechter ja immer maßlos sind: Bitte gleich die Verlängerung mindestens bis zum Bahnhof Buckower Chaussee in den Blick nehmen und sich, ganz gewagt, vielleicht sogar Visionen hingeben: bei Weiterführung über Buckower Chaussee hinaus folgt irgendwo die Querung der Anhalter Bahn, die breite Goerzallee mit einem sich entwickelnden Gewerbegebiet und der Dahlemer Weg mit der Goerzbahn. Die wiederum endet in Lichterfelde West an der S1. Nur mal so …
Wo wir gerade bei Visionen sind: Berlins mittlere Großstadt, Spandau, braucht keine Doppelgelenkbusse, sondern ein eigenes Straßenbahnnetz, was auch städtebaulich große Chancen bietet, Spandau noch attraktiver zu machen (wenn das überhaupt geht…). Es ist halt nachgewiesen: man bekommt mehr Menschen zum Umstieg in ein Schienenverkehrsmittel (auf eigener Trasse!) bewegt als in einen schwankenden, engen und stickigen Bus. Und Doppeldecker mit einem Mindestmaß an Sitzkomfort für längere Strecken wollen wir ja
nicht mehr.
Womit wir bei einer weiteren Verabschiedung an diesem Wochenende wären: der letzte MAN-Doppeldecker wird auf der Linie 200 verabschiedet. Die einst 416 Exemplare wurden nun durch 200 des schottischen Herstellers Alexander Dennis „ersetzt“, weil sich angeblich kein anderer deutscher/europäischer Hersteller findet, der die Anforderungen der BVG an ein Berliner Fahrzeug erfüllen kann oder will. Die Zukunft dieses Fahrzeugtyps bleibt offen, weil in sieben Jahren nur noch elektrische Busse unterwegs sein sollen.
Haben andere Städte nicht heute schon elektrische Doppeldecker im Einsatz oder bestellt? Aber, ach, die haben ja nicht die Berliner Bedürfnisse. London zum Beispiel. Nur, falls Sie von dieser Stadt schon mal gehört haben sollten…. Und wenn Sie dann also dieses „Verkehrswende-Ding“ machen und auf den Komfort Ihres Autos bewusst verzichten wollen, genießen Sie eine Fahrt im Schlenki (wenn Sie besonders viel „Glück“ haben, erwischen Sie ein Auto des Herstellers SCANIA ….) zwischen Kladow und City-West: der X34 schafft das in 44 Minuten mit nur einer Einschränkung: planmäßig.
So sind wir schon wieder am Ende der SHORTCUTS und möchten Sie mit einer Frage „entlassen“: Es ist doch erstaunlich, dass ein Eisenbahn-Verkehrsunternehmen wie die Berliner S-Bahn ernsthaft für das „Verkehrswende-Ding“ wirbt. Wir finden das wirklich gut, aber eine Frage sei gestattet: Müsste „Let’s do the Verkehrswende-Ding“ nicht aus der politischen Sphäre kommen? Anstatt sich zu überlegen, wie Verkehrswende in den Metropolräumen aber auch auf dem Land gelingen kann, und zwar mit (!) den Bürgerinnen und Bürgern,
streitet man bereits wieder über die Dauerhaftigkeit des sog. Deutschlandtickets.
PS: Das heutige Datum weist darauf hin: es gibt wahrhaft Wichtiges, um das wir uns auch sorgen müssen.