Zwischenruf zur verschobenen Verkehrswende

Wer von Ihnen eine BahnCard sein Eigen nennt, hat in den vergangenen Tagen eine Mail der Deutschen Bahn bekommen, die, fast möchte man sagen devot, aber doch mindestens sehr defensiv formuliert ist. Unter der Überschrift „Zeit für einen Dank“ finden sich dann Sätze wie dieser: „Vor allem möchte ich [Dr. Michael Peterson, Vorstand Personenverkehr] Ihnen sagen, dass wir daran arbeiten, unsere Zuverlässigkeit zu erhöhen. Dass es auch am Flughafen oder auf der Autobahn zu gravierenden Verzögerungen kommt, kann für uns kein Argument sein. … Deshalb bauen Bahn und Bund das hoch belastete Netz nun zum Hochleistungsnetz aus und beginnen mit einer Generalsanierung der am stärksten befahrenen Korridore ab 2024.“

Als Sofortmaßnahme wird dann unter anderem aufgeführt, dass das Reisen besser planbar gemacht würde, indem knappe Umsteigezeiten nicht mehr angeboten würden – jedenfalls wenn sie „aktuell in der Regel nicht erreicht werden.“ Nur: was heißt das? Statt 8 min nunmehr derer 68? Oder bei einem Zwei-Stunden-Takt gar 128 Minuten Umsteigezeit?

Es gibt gestandene Eisenbahner, die das als Offenbarungseid bezeichnen und den derzeitigen Zustand der Eisenbahn als sehr kritisch ansehen. Und die Schlüsse daraus ziehen, die den Verfechtern der Verkehrswende nicht gefallen können: Züge aus dem System nehmen!

Aber es ist schon wahr: der Großversuch „9 €-Ticket“ zeigte auf, dass die Grenzen der Kapazität oftmals nicht weit sind (oder hier und da überschritten wurden), der Fernverkehr boomt und in acht Jahren seine Transportleistung verdoppelt haben soll. Da bleibt für den auch wichtigen Güterverkehr nur Rang drei (aktuelle Ausnahme: Kohlezüge). Was die Kunden schmerzlich spüren, indem sich Züge auf dem überlasteten Netz stauen und deutlich zu spät beim Kunden ankommen.

Konkret hieße das, nur ein Beispiel, in unserer Region eben keinen 20-Minuten-Takt beim RE1 einzuführen, dafür aber mit längeren (und skalierbaren) Zügen zu fahren. Oder Güterverkehr aus dem Netz nehmen! Also genau das Gegenteil von dem, was wir alle seit Jahrzehnten mantraartig (aber erfolglos) wiederholen: Güter gehören auf die Bahn. Und so passt dann auch ins Bild, dass ein Experte unserer virtuellen Veranstaltung am 8. Februar sagte, die Elektrifizierung von Autobahnen sei eine gar nicht so schlechte Idee …

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde diesen Befund beunruhigend. Ein Befund, der die bisherige Gewissheit, wir könnten Güter- und Personenverkehr in relativ absehbarer Zeit nennenswert von der Straße auf die Schiene verlagern, ad absurdum führen würde. Und eine Mahnung, endlich Planungszeiten, auch mit unangenehmen Folgen für direkt Betroffene, zu verkürzen.