Zwischenruf: „Sind minimale Kosten alles?“ oder vom Wert des zukünftig Historischen

Eine auf den ersten Blick merkwürdige Frage:

Werden heutige Fahrzeuge auch einmal alt und damit historisch?

Dies kann man wohl uneingeschränkt mit „Ja“ beantworten. Wer aber kümmert sich um den dauerhaften Erhalt heutiger Fahrzeuge bzw. Baureihen, die vor der Ausmusterung stehen und die von zukünftigen Generationen als historisch bewundert werden könnten?

Nur ein Beispiel:

Bei der BVG steht die Kleinprofil-Baureihe A3 (L71) kurz vor dem Aus (die grundlegend modernisierten A3E rechnen wir hier nicht mit). Kümmert sich irgendjemand um den Erhalt eines solchen Fahrzeugs, vielleicht gar betriebsfähig? Immerhin fuhr die Baureihe A3 seit 1960 durch den Westteil der Stadt (bis 13.08.1961 auch in den Ostteil) und seit 1993 auch wieder nach Pankow. Sechzig Jahre sind eine lange Zeit und dieses Fahrzeug damit ein bedeutender Vertreter der Berliner U-Bahn. Wird die BVG ein oder zwei Doppeltriebwagen museal erhalten, um damit vielleicht auch einmal Sonderfahrten machen zu können? Vielleicht auch dann, wenn die aus heutiger Sicht „richtig“ alten Fahrzeuge der Serien A1/A2 technisch wirklich nicht mehr eingesetzt werden können?

Aber auch bei musealen Fahrzeugen sieht es zuweilen nicht besser aus:

Da wird auf dem Tegel-Gelände eine historische Boeing 707 kurzerhand zerhackt, weil sich niemand findet, der ein Budget für solch ein Ausstellungsstück bereitstellen kann oder will. Über den sog. „Rosinenbomber“, der mittlerweile Berlin still, heimlich und zerlegt verlassen hat, reden wir mal gar nicht. Die Flughafengesellschaft sah sich aus finanziellen Gründen (!) nicht in der Lage, dieses Flugzeug geschützt irgendwo aufzustellen und so an ein Stück Geschichte zu erinnern. Bei den BER-Gesamtkosten wäre das nicht mehr als eine Fußnote gewesen.

Die „Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin e. V.“ mit ihren zahlreichen Fahrzeugen der BVG (West), viele davon betriebsfähig und täglich auf der Linie 218 im Einsatz, verliert Ende 2022 ihre Mietflächen in Haselhorst, weil darauf Wohnungsbau vorgesehen ist. Wer wollte etwas dagegen haben? Aber der Senat sieht sich nicht zuständig und demonstriert in einer parlamentarischen Anfrage komplettes Desinteresse. Die BVG selbst hat schon Schwierigkeiten, ihre vielen neuen langen Gelenkbusse unterzubringen (als Ersatz der, leider, abgängigen Doppeldecker) und will sich nun nicht auch noch mit Fahrzeugen ihrer eigenen Geschichte beschäftigen. Die, das nur nebenbei, waren früher Teil der BVG-Sammlung (Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen), die im Betriebshof Gradestraße untergebracht war.

Und die S-Bahn?

Immerhin stehen die historischen Fahrzeuge in Erkner warm und trocken, wenn man auch von Betriebsfähigkeit heute nur träumen kann. Aktuell geht es der Baureihe (BR) 485 „an den Kragen“, weil, so hört man, in Schöneweide Platz geschaffen werden muss für die Neubaufahrzeuge der BR 483/484, die bis zum Inkrafttreten des neuen Verkehrsvertrags Ende 2022 nicht eingesetzt werden dürfen und nigelnagelneu abgestellt werden müssen. Was für ein Irrsinn! Aber das nur nebenbei. Kann man nur hoffen, dass auch ein Halbzug der BR 485 und dereinst auch ein Doppeltriebwagen der BR 480 museal oder gar betriebsfähig erhalten werden.

Natürlich, allein unter Renditegesichtspunkten lässt sich keines der hier genannten Beispiele rechtfertigen! Das war noch nie so und wird auch zukünftig so ein. Aber die Nachwelt wird uns den Erhalt technischer Denkmäler danken – spätestens dann, wenn nach Corona auf Sonderfahrten die „gute, alte Zeit“ wiederbelebt wird. Auch das wird zukünftig so sein.

Also: Zwingen uns Rendite- und Kostensenkungsansprüche, auf wirtschaftlich Unvernünftiges, gleichwohl technikgeschichtlich Wertvolles zu verzichten? Nur einmal so als Zwischenfrage …