Ein Zwischenruf zum geschlossenen Flughafen und der UTR

Nun isser also zu – der olle Flughafen Tegel …

Eines vorweg: wir können jeden Pankower, Reinickendorfer oder Spandauer verstehen, für den der 08.11.2020 ein Tag zum Feiern war. Neben der Lärmproblematik ist es in Covid-Zeiten für Befürworter eines (zweiten) Berliner Flughafens natürlich schwer, Argumente zu finden, die einer ernsthaften Diskussion standhalten.

Und dennoch, das gestehen Sie bitte einem „alten West-Berliner“ und Luftfahrtfan zu, ist es ein schales Gefühl, nach 2008 nun die zweite Flughafenschließung mitzuerleben. Für Menschen, die sich „verkehrsträgerübergreifend“ interessieren und engagieren, ist es womöglich auch schwierig, wenn Verkehrsinfrastruktur geschlossen wird.

Beamen wir uns zurück nach 2019, als Berlin nach Jahren einer stürmischen Entwicklung rd. 36 Mio. Passagiere hatte und die Verantwortlichen diese Zahl zukünftig nur würden darstellen können, indem man zum einen ein (heute fertiges, aber geschlossenes) Terminal 2 in „hochwertiger Industriebauweise“ errichtet, zum anderen den alten Flughafen Schönefeld als Terminal 5 zunächst weiter betreibt. Denn das Terminal 1 mit einer angegebenen Kapazität von 27 Mio. Passagieren macht eigentlich weiter nichts, als die Zahl von Tegel, zuletzt 24 Millionen, zu übernehmen. Dies aber sicher effizienter und mit mehr Komfort für alle Beteiligten.

Das oft gehörte Argument, „jede Hauptstadt habe mindestens zwei Flughäfen“ mag stimmen, aber geschichtsbedingt, und der heutige 9. November ist ein gutes Symbol dafür, spielt Berlin eben nicht in der Liga von London und Paris. Und in Anlehnung an eine legendäre Werbung, könnte man sagen: „Während Berlin und Brandenburg noch über den Standort stritten, baute München sein Drehkreuz.“ Ein Drittes wird es in Deutschland auf absehbare Zeit nicht geben. Vielleicht ist das auch nicht schlimm, denn das Drehkreuzkonzept verliert seit Jahren zugunsten von mehr Direktverbindungen mit kleineren, effizienteren Flugzeugen an Bedeutung. Ebenso wird die Bahn auch auf mittleren Entfernungen konkurrenzfähiger. Flugverkehr nach Hannover oder Hamburg? Geschichte. Und dass man selbst bei München unter rein zeitlichen Aspekten inzwischen die Frage stellen kann „Zug oder Flug?“, war vor wenigen Jahren schlicht unvorstellbar.

Wenn nun ein anderer Senat das Volksbegehren zur Offenhaltung ernst genommen und es jenseits aller juristischen Hürden irgendwie durchgesetzt hätte Tegel offenzuhalten, wären auf die Gesellschafter der Flughafengesellschaft mindestens zwei gravierende Dinge zugekommen: eine, das darf man den Verantwortlichen sicher glauben, kostenintensive Sanierung einer nun bald 50 Jahre alten Immobilie, die zudem in den letzten Jahren nur mit dem Mindesten am Laufen gehalten wurde, zum anderen hätte es eines Luftverkehrskonzepts bedurft. Oder einfacher: ein politischer Markteingriff mit der Antwort auf die Frage „Wer darf oder muss nach Tegel, wer darf oder muss nach Schönefeld?“.

Dies ist nun alles „vergossene Milch“ und vielleicht ist die Schließung am Vorabend des für die jüngere deutsche Geschichte in mehrerer Hinsicht wichtigen 9. November ein Hinweis darauf, dass ein bedeutendes West-Berliner Relikt am Ende angekommen ist und Berlin dafür am Rande der Stadt einen teuren und, nun ja, mittelgroßen Zentralflughafen bekommen hat, der im wesentlichen innerdeutschen und Europa Verkehr abwickelt.

Wie geht es nun weiter? Der ehemalige Flughafenbus der Linie 109 schildert seit heute „Tegel, Urban Tech Republic“. Man kann niemandem empfehlen, dieses Ziel ernst zu nehmen und muss fast befürchten, dass das der lockeren BVG-Marketingkampagne entsprungen ist. Wer bis zum bitteren Ende mitfährt, findet sich zwischen Laubenpieperkolonie, einer Parkpalette und dem Frachthof des nunmehr ehemaligen Flughafens wieder.

So kann man nur hoffen, dass die Urban Tech Republic (UTR) mehr ist als ein wolkiges Versprechen auf eine bessere Zukunft. Der Zustand des Flughafens Tempelhof, der seit nunmehr zwölf Jahren für viele eine schöne Spielwiese mit Hochbeeten darstellt und dessen Immobilie nach wie vor eines Sanierungs- und Nutzungskonzepts harrt, ist da sicher alles andere als ein Leuchtturmprojekt. Warum ist, nur ein Beispiel, nach zwölf Jahren nicht längst das Alliiertenmuseum eingezogen? Warum nicht das Verkehrsmuseum, das viele seiner Exponate mangels Platzes in irgendwelchen verschwiegenen Depots lagert?

Zurück zur UTR: Beuth-Hochschule, Wohnen, Arbeiten – all dies soll auf dem Areal verwirklich werden. Kann man nur hoffen, dass die verkehrliche Anbindung fortschrittlicher erfolgt als 1974 beim Flughafen Tegel. Denn die Straßenbahn soll in überschaubarer Zeit von Moabit her am Bahnhof Jungfernheide ankommen, inzwischen ein Schnittpunt von U-, S- und Regionalbahn. Von dort ist es zur UTR nicht mehr weit. Übrigens auch nicht von der UTR zum Bahnhof Gartenfeld, dem zukünftigen Endpunkt der Siemensbahn. Tja, und dann ist es über die „Gartenfelder Insel“ nur ein kleiner Sprung nach Spandau, einer mittleren, monozentrischen Großstadt, Pendlerproblemen und einem überlasteten Busnetz. Dies schreit förmlich nach einem modernen, (auf eigener Trasse) schnellen und kostengünstigen Schienenverkehrsmittel mittlerer Kapazität. Aber das ist ein anderes Thema …