Ein Zwischenruf zum BER

Nun ist es also abgenommen und betriebsbereit, das Terminal I des gar nicht mehr so neuen Hauptstadtflughafens BBI (wer erinnert sich?) bzw. jetzt BER.

Dafür muss man nach Lage der Dinge dem aktuellen Chef der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB), Prof. Engelbert Lütke-Daldrup, gratulieren. Mit Beharrlichkeit und Nüchternheit haben er und sein Team das Projekt nun immerhin zu einem Ende geführt. Man erinnere sich: es ist nicht so lange her, dass nicht nur Zyniker das Terminalgebäude abreißen und neu bauen lassen wollten.

Am „nach alter Rechnung“ nach Frankfurt und München drittgrößten Flughafenstandort Deutschlands wird also in wenigen Wochen der politische Wille umgesetzt worden sein, aus drei Flughäfen mit sechs Start- und Landebahnen einen mit derer zwei zu machen. Wobei: eigentlich bleibt „Schönefeld alt“ nach dem letzten Stand der Dinge als „Terminal 5“ noch jahrelang in Betrieb.

Die Diskussionen um Standort und Kapazität des neuen Airports, die Frage der Offenhaltung oder Schließung von Tegel oder auch der damals erbitterte Kampf um Tempelhof (der Zustand gut zehn Jahre später: ein Jammer) scheinen heute wie aus einer fernen Zeit. Und es zeigt auch dieses Beispiel, wie massiv und vermutlich auch nachhaltig die Pandemie in unser Leben eingegriffen hat, eingreift und weiter eingreifen wird. Das Modewort dafür ist „disruptiv“.

Nur zur Erinnerung:

2019 wurden am Standort Berlin 35,7 Mio Passagiere abgefertigt, davon in Schönefeld 11,4 Mio und in Tegel (der ursprünglich für 6 Mio konzipiert war) 24,3 Mio. Die Passagierzahlen am Standort Berlin wuchsen seit Jahren stetig und die Frage, ob BER beim Fortschreiben dieser Entwicklung die Kapazität abdecken könne, war berechtigt. So kam es zu einem Volksentscheid, der sich, wohl nicht nur aus nostalgischen Gründen, für die Offenhaltung Tegels aussprach. Juristisch eine Herausforderung und sicher hätte man Tegel auch nicht in der bis dato bekannten Form weiterbetrieben. So hat „London City“ auch andere Aufgaben als Heathrow, Gatwick, Luton oder Stansted. Eine wahre Weltstadt, fünf Flughäfen. Berlins Senat aber lehnte es kategorisch ab, sich damit überhaupt nur zu beschäftigen und so wird demnächst Verkehrsinfrastruktur stillgelegt. Man kann nur hoffen, dass es hier mit der Nachnutzung anders läuft als in Tempelhof.

Die FBB, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen das sicher nachvollziehbare Interesse hat, ihr Geschäft an einer Betriebsstätte abzuwickeln, reagierte mit der Entscheidung, „Schönefeld alt“ kurzerhand zum „Terminal 5“ zu deklarieren und ein zusätzliches Terminal in, wie es der Flughafenchef unnachahmlich formulierte, „hochwertiger Industriebauweise“ zu errichten: das künftige Terminal 2. Ein weiteres Ausbauvorhaben wurde zu Papier gebracht, nämlich der in frühen Planungen bereits vorhandene Satellit, also ein Terminal auf dem Vorfeld. Dieser Satellit sollte ganz am Anfang durch einen „Skywalk“, unter dem die animierten Jumbos hindurchrollten, später durch einen Tunnel erschlossen werden. Leider ist selbst dieser Tunnel als Vorleistung nicht gebaut worden.

Heute wirkt all das wie Geschichten aus einer anderen Zeit. In Tegel gibt es heute, 29.04.2020, 10 Abflüge. Frankfurt drei-, München zweimal, ansonsten Köln/Bonn, Düsseldorf, Amsterdam, Helsinki und Sofia je einmal. Und in Schönefeld gar nur einen (London)!

Wie mag es nun weitergehen?

Wissen tut das natürlich niemand. Mehr noch als in der Vergangenheit werden schnelle Bahnverbindungen und vor allem ganz neue Erfahrungen im Abhalten von Videokonferenzen zu der Erkenntnis führen, das nicht jeder innerdeutsche (Geschäfts-)Flug wirklich notwendig ist. Dazu kommt nach Jahren des wirtschaftlichen Booms und dessen abruptem Ende absehbar eine Rezession. Man muss kein Prophet sein, um anzunehmen, dass es im Bereich der Dienstreisen zu erheblichen Rückgängen kommen wird. Mancher Frankfurt-Flieger (und wohl auch ICE-Sprinter) werden da andere Auslastungszahlen und Yields haben als bisher gewohnt.

Wie es im touristischen Bereich mit Berlin als „Billigziel“ von „Billigfliegern“ weitergeht, wird man sehen. Skeptisch darf man sein, ob sich diese Form des Tourismus in Zeiten von „Abstand halten“ schnell erholen wird. Und ob man das überhaupt will. Und umgekehrt, das billige verlängerte Wochenende in Rom, Mailand, Paris, Riga oder nach „Malle“? Da gilt das Gleiche. Und „Fliegen zum Taxipreis“ funktioniert ja nur, wenn die Airlines, neben den günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen, hohe Auslastungszahlen erreichen. Aber ein voller, eng bestuhlter Flieger in Zeiten von „Abstand halten“? Momentan nicht so recht vorstellbar. Über die Umweltbelastungen in Zeiten der Klimakrise, ja, noch eine Krise, reden wir an dieser Stelle nicht.

Der Interkontverkehr hat für Berlin bisher ja nur untergeordnete Bedeutung. Möglicherweise eröffnen sich dort vor dem Hintergrund des Trends zu kleineren Fluggeräten, die wirtschaftlich auch Destinationen mit geringerem Aufkommen bedienen können, neue Möglichkeiten.

So geht Berlin-Brandenburg mit seinem neuen Flughafen unsicheren Zeiten entgegen. Zu klein, und da hat die verantwortliche Politik sozusagen Glück im Unglück, wird er am Anfang jedenfalls nicht sein. Und nur Zyniker werden hoffen, dass wir Ende Oktober eine Flughafeneröffnung ohne Flugbetrieb erleben könnten. Das sicher nicht.

Und Tegel?

Im Rahmen der heutigen Aufsichtsratssitzung möchte die FBB ihn „für zwei Monate“ vom Netz nehmen. Würde das vom Aufsichtsrat und der anschließenden Gesellschafterversammlung so beschlossen, wäre das vielleicht sogar ein Abschied für immer. Man wird ihm eine Träne nachweinen dürfen, dem geliebt-gehassten Flughafen Tegel.