Ein Zwischenruf zum Deal "Finanzhilfen gegen Umweltschutz"
"In Frankreich wird gerade Lufthansas größer Albtraum wahr" titelte jüngst das Portal businessinsider.de. Was verbirgt sich hinter dieser drakonisch anmutenden Überschrift?
Das Portal berichtet, dass die französische Regierung erwarte, dass Air France die nachhaltigste Airline der Welt werden soll, wenn sie Finanzhilfe vom Staat in Anspruch nimmt. Erreicht werden soll das mit einer weniger CO2-emittierenden Flotte, klimaneutralem Treibstoff und, man höre und staune, einer drastisch reduzierten Zahl von Inlandsflügen.
Weniger CO2 gegenüber der Ist-Situation mag erreichbar sein, wenn die Flotte hinreichend modern ist. Beim klimaneutralen Treibstoff wird es schon sehr viel schwieriger, denn diese Treibstoffe sind auf absehbare Zeit in großer Menge nicht verfügbar. Wer sie in großer Menge einsetzen wollte, müsste sofort die Frage beantworten, ob man auf gegebener weltweiter Ackerfläche Pflanzen anbaut, um die wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen oder für einen vergleichsweise kleinen Teil der Menschheit Treibstoffe? Und das "E-Flugzeug" ist aus heutiger Sicht kurz- bis mittelfristig keine Option.
Interessant ist hier insbesondere der dritte Punkt, nämlich die drastische Reduzierung der Inlandsflüge. Das Portal berichtet, dass "... überall dort, wo die Bahn eine Strecke in zweieinhalb Stunden schafft, die Air France in einer Stunde geflogen wäre, dürfe das Flugzeug nicht mehr das Verkehrsmittel der Wahl sein." Innerfranzösisch solle nur fliegen, wer ein Ticket für einen interkontinentalen Weiterflug besitzt. Ob Air France dann noch ein wirtschaftliches Interesse daran hat, ihre Interkont-Fluggäste in der Provinz einzusammeln, darf man bezweifeln. Sicher stünden dann Easy, Ryan & Co. sehr gerne bereit.
Nun hat Frankreich im Vergleich mit Deutschland ein sehr gut ausgebautes Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsnetz mit Ausrichtung auf das Zentrum des Landes: Paris. Nach Bordeaux sind es knapp 600 km, der TGV benötigt dafür, non-stop, gute 2 Stunden. Nach Marseille, knapp 800 km, sind es 3h 15 min und nach Strasbourg, rund 500 km entfernt, 1h 45 min. In der Struktur des Landes sind Frankreich und Deutschland nicht vergleichbar. Und dennoch, man stelle sich vor, Infrastrukturfragen mal außen vor gelassen, die Deutsche Bahn ließe auf dem Weg von Berlin nach Rhein-Ruhr Städte wie Hannover, Bielefeld und Dortmund fahrplanmäßig aus. Vom "Berliner Vorort" Wolfsburg reden wir da mal nicht ... Oder nach Süden: Halle (Saale), Erfurt oder womöglich Bamberg? Da dürfen wir froh sein, dass nicht jeder nordwärts gehende ICE in Wittenberge Halt machen muss ... Und um nicht missverstanden zu werden: es gibt bei uns sicher gute Gründe, in Umsteigeknoten wie Hannover und neuerdings Erfurt auch zu halten! Da sind beide Länder eben nicht vergleichbar.
Es wird spannend sein zu beobachten, ob der politische Ansatz in unserem westlichen Nachbarland tatsächlich ganz oder teilweise Realität wird. Und natürlich bleiben Fragen offen, zum Beispiel die, wie oben bereits erwähnt, ob die "Billigflieger" nicht sofort gerne in diese Lücken springen würden? Denn das sie genau diese Märkte profitabler bedienen können als die traditionellen Carrier, hat die Vergangenheit bewiesen. Dennoch bleibt es ein interessanter Ansatz, der zeigt: die Krise setzt auch Ideen und Kräfte frei, die vor kurzem noch als unrealistisch galten.
Ein Zwischenruf zum BER
Nun ist es also abgenommen und betriebsbereit, das Terminal I des gar nicht mehr so neuen Hauptstadtflughafens BBI (wer erinnert sich?) bzw. jetzt BER.
Dafür muss man nach Lage der Dinge dem aktuellen Chef der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB), Prof. Engelbert Lütke-Daldrup, gratulieren. Mit Beharrlichkeit und Nüchternheit haben er und sein Team das Projekt nun immerhin zu einem Ende geführt. Man erinnere sich: es ist nicht so lange her, dass nicht nur Zyniker das Terminalgebäude abreißen und neu bauen lassen wollten.
Am "nach alter Rechnung" nach Frankfurt und München drittgrößten Flughafenstandort Deutschlands wird also in wenigen Wochen der politische Wille umgesetzt worden sein, aus drei Flughäfen mit sechs Start- und Landebahnen einen mit derer zwei zu machen. Wobei: eigentlich bleibt "Schönefeld alt" nach dem letzten Stand der Dinge als "Terminal 5" noch jahrelang in Betrieb.
Die Diskussionen um Standort und Kapazität des neuen Airports, die Frage der Offenhaltung oder Schließung von Tegel oder auch der damals erbitterte Kampf um Tempelhof (der Zustand gut zehn Jahre später: ein Jammer) scheinen heute wie aus einer fernen Zeit. Und es zeigt auch dieses Beispiel, wie massiv und vermutlich auch nachhaltig die Pandemie in unser Leben eingegriffen hat, eingreift und weiter eingreifen wird. Das Modewort dafür ist "disruptiv".
Nur zur Erinnerung:
2019 wurden am Standort Berlin 35,7 Mio Passagiere abgefertigt, davon in Schönefeld 11,4 Mio und in Tegel (der ursprünglich für 6 Mio konzipiert war) 24,3 Mio. Die Passagierzahlen am Standort Berlin wuchsen seit Jahren stetig und die Frage, ob BER beim Fortschreiben dieser Entwicklung die Kapazität abdecken könne, war berechtigt. So kam es zu einem Volksentscheid, der sich, wohl nicht nur aus nostalgischen Gründen, für die Offenhaltung Tegels aussprach. Juristisch eine Herausforderung und sicher hätte man Tegel auch nicht in der bis dato bekannten Form weiterbetrieben. So hat "London City" auch andere Aufgaben als Heathrow, Gatwick, Luton oder Stansted. Eine wahre Weltstadt, fünf Flughäfen. Berlins Senat aber lehnte es kategorisch ab, sich damit überhaupt nur zu beschäftigen und so wird demnächst Verkehrsinfrastruktur stillgelegt. Man kann nur hoffen, dass es hier mit der Nachnutzung anders läuft als in Tempelhof.
Die FBB, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen das sicher nachvollziehbare Interesse hat, ihr Geschäft an einer Betriebsstätte abzuwickeln, reagierte mit der Entscheidung, "Schönefeld alt" kurzerhand zum "Terminal 5" zu deklarieren und ein zusätzliches Terminal in, wie es der Flughafenchef unnachahmlich formulierte, "hochwertiger Industriebauweise" zu errichten: das künftige Terminal 2. Ein weiteres Ausbauvorhaben wurde zu Papier gebracht, nämlich der in frühen Planungen bereits vorhandene Satellit, also ein Terminal auf dem Vorfeld. Dieser Satellit sollte ganz am Anfang durch einen "Skywalk", unter dem die animierten Jumbos hindurchrollten, später durch einen Tunnel erschlossen werden. Leider ist selbst dieser Tunnel als Vorleistung nicht gebaut worden.
Heute wirkt all das wie Geschichten aus einer anderen Zeit. In Tegel gibt es heute, 29.04.2020, 10 Abflüge. Frankfurt drei-, München zweimal, ansonsten Köln/Bonn, Düsseldorf, Amsterdam, Helsinki und Sofia je einmal. Und in Schönefeld gar nur einen (London)!
Wie mag es nun weitergehen?
Wissen tut das natürlich niemand. Mehr noch als in der Vergangenheit werden schnelle Bahnverbindungen und vor allem ganz neue Erfahrungen im Abhalten von Videokonferenzen zu der Erkenntnis führen, das nicht jeder innerdeutsche (Geschäfts-)Flug wirklich notwendig ist. Dazu kommt nach Jahren des wirtschaftlichen Booms und dessen abruptem Ende absehbar eine Rezession. Man muss kein Prophet sein, um anzunehmen, dass es im Bereich der Dienstreisen zu erheblichen Rückgängen kommen wird. Mancher Frankfurt-Flieger (und wohl auch ICE-Sprinter) werden da andere Auslastungszahlen und Yields haben als bisher gewohnt.
Wie es im touristischen Bereich mit Berlin als "Billigziel" von "Billigfliegern" weitergeht, wird man sehen. Skeptisch darf man sein, ob sich diese Form des Tourismus in Zeiten von "Abstand halten" schnell erholen wird. Und ob man das überhaupt will. Und umgekehrt, das billige verlängerte Wochenende in Rom, Mailand, Paris, Riga oder nach "Malle"? Da gilt das Gleiche. Und "Fliegen zum Taxipreis" funktioniert ja nur, wenn die Airlines, neben den günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen, hohe Auslastungszahlen erreichen. Aber ein voller, eng bestuhlter Flieger in Zeiten von "Abstand halten"? Momentan nicht so recht vorstellbar. Über die Umweltbelastungen in Zeiten der Klimakrise, ja, noch eine Krise, reden wir an dieser Stelle nicht.
Der Interkontverkehr hat für Berlin bisher ja nur untergeordnete Bedeutung. Möglicherweise eröffnen sich dort vor dem Hintergrund des Trends zu kleineren Fluggeräten, die wirtschaftlich auch Destinationen mit geringerem Aufkommen bedienen können, neue Möglichkeiten.
So geht Berlin-Brandenburg mit seinem neuen Flughafen unsicheren Zeiten entgegen. Zu klein, und da hat die verantwortliche Politik sozusagen Glück im Unglück, wird er am Anfang jedenfalls nicht sein. Und nur Zyniker werden hoffen, dass wir Ende Oktober eine Flughafeneröffnung ohne Flugbetrieb erleben könnten. Das sicher nicht.
Und Tegel?
Im Rahmen der heutigen Aufsichtsratssitzung möchte die FBB ihn "für zwei Monate" vom Netz nehmen. Würde das vom Aufsichtsrat und der anschließenden Gesellschafterversammlung so beschlossen, wäre das vielleicht sogar ein Abschied für immer. Man wird ihm eine Träne nachweinen dürfen, dem geliebt-gehassten Flughafen Tegel.
Ein Zwischenruf zu "Pop-up"
Wir versuchen uns einmal an einem Newsletter ohne das "C-Wort". Mal schauen, ob es gelingt ...
"Pop-up" ist seit einiger Zeit Mode. Mit Pop-up-Stores fing es an, nun haben wir Pop-up-Radwege und ganz bestimmt auch sehr bald Pop-up-Busspuren.
Was aber ist "Pop-up"? Es ließe sich übersetzen mit "plötzlich auftauchen" oder "aus dem Boden schießen". Bei den Stores, also Läden, handelt(e) es sich um provisorisch anmutende Geschäfte, regelmäßig in Szenebezirken, die oft nur für eine überschaubare Zeit eingerichtet werden bzw. wurden.
Nun haben wir äußere Umstände, die in manchen Innenstadtbezirken die Verwaltung so auf Trab bringen, dass auf Hauptstraßen der bisherige Park- in einen Fahrradstreifen umgewidmet wird. Gelbe Klebefolien zum Markieren, links elegante rot-weiße Baustellenbaken - fertig ist der Radweg. "Pop-up" eben. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich, zu welchen Leistungen die Berliner Verwaltung fähig ist. Und offenbar ist beabsichtigt, im Zuge des Mobilitätsgesetzes einen Großteil dieser Radwege beizubehalten. Dies kann man begrüßen und hoffen, dass dann auch zügig eine stadträumliche Gestaltung erfolgt, die die rot-weißen Baustellenbaken nicht zum Dauerzustand werden lässt. Man staunt aber auch, wie es, wenn wir das Wort gebrauchen dürfen, der Radverkehrslobby dieses Mal gelungen ist, ihre Interessen durchzusetzen. Offenbar ist der Gralshüter der Autofahrenden, der ADAC, selber überrascht, denn den großen Aufschrei über wegfallende Parkplätze und/oder Fahrspuren, und nur so können diese Radwege ja eingerichtet werden, haben wir nicht vernommen.
Wo aber bleibt der "Pop-up"-Gedanke bem ÖPNV, namentlich der BVG? Es soll ja nicht-autofahrende Menschen geben, die ihre Wege aus den verschiedensten Gründen nicht mit dem Fahrrad machen können oder wollen. Oder diejenigen, die mal das Fahrrad, mal den ÖPNV und vielleicht sogar auch mal ein Auto benutzen.
Hier hat sich die politische Führung scheinbar verabschiedet und ihre Anstalt öffentlichen Rechts gewähren lassen: Abgeklebte Busfahrpläne, die Kundinnen und Kunden ohne Smartphone ratlos zurücklassen oder stark ausgedünnte U-Bahn-Fahrpläne, die genau das verursachen, was wir gerade vermeiden sollen: Nähe.
Zugegeben, es braucht gegenwärtig womöglich keinen 5-Minutentakt auf der U3 nach Krumme Lanke oder der U8 nach Wittenau. Vielleicht auch nicht auf der U7 nach Spandau, weil da eine für viele schnellere Alternative in Form des Regionalverkehrs und der S-Bahn besteht. Aber warum gab es auf den zentralen Abschnitten der U-Bahnlinien keine regelmäßig verkehrenden "Einsetzer", die den 5-Minuten-Takt auf auch in der Krise relativ stark nachgefragten Innenstadtbereichen sicherstellten? Logistisch zu aufwendig? Jedenfalls nicht "Pop-up", sondern eher "Schema F". So wirkte es jedenfalls für den Außenstehenden.
Und nachdem man sich in der politischen Führung in Bezug auf den Radverkehr auf das Mobilitätsgesetz beruft, wird es hohe Zeit, dass Gleiches auch für die Nutzerinnen und Nutzer des ÖPNV gilt! Sicher, es kann keine "Pop-up i2030"- oder "Pop-up-Straßenbahn"-Projekte geben - leider. Aber schnell umzusetzende Maßnahmen wie Ampelvorrangschaltungen für Bus und Straßenbahn oder, noch einfacher, die Einrichtung neuer Busspuren sollten jetzt möglich sein.
Damit die nach wie vor dringend notwendige Verkehrswende vorankommt. Zum einen, um den knappen Platz in den Ballungszentren intelligenter zu nutzen als in den vergangenen sechzig Jahren. Zum anderen, und das ist noch wichtiger, der durch die Menschheit im wahrsten Sinne des Wortes befeuerte Klimawandel, der uns nach Lage der Dinge vor ganz andere Herausforderungen stellen wird als die derzeitige Krise. Möchten wir uns ausmalen, was passiert, wenn, um nur einen Aspekt zu nennen, nicht nur das Hygienepapier knapp wird, sondern infolge der Trockenheit das Trinkwasser? Lieber nicht.
Am Ende angekommen können wir feststellen: ein Text ohne das C-Wort. Harmloser wird es dadurch allerdings nicht.
Wir wünschen Ihnen allen Gesundheit und bleiben Sie bitte weiterhin vernünftig und besonnen.
Freundliche Grüße
Michael Rothe
VIV Veranstaltungsabsagen aufgrund der Corona-Pandemie
Corona im Fernsehen, Corona in der Zeitung, Corona in den sozialen Medien und natürlich Corona in unser aller Alltag. Unmöglich, diesem Thema zu entkommen, das uns scheinbar unvorbereitet traf. Es ist nicht lange her, da haben sich die meisten von uns gefragt, was uns diese Epidemie in China angehe? Wir wähnten uns in einer trügerischen Sicherheit und ahnten wohl nicht, wie zerbrechlich und anfällig das soziale und wirtschaftliche Gefüge in Zeiten der Globalisierung ist. Nun wissen wir es alle besser. Und man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die jetzige Krise für längere Zeit negative, aber, das ist die Hoffnung, vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle positive Wirkungen haben wird.
Auch in dem uns hier interessierenden Verkehrssektor. Und der eine oder andere Journalist beschäftigt sich ja bereits mit der Frage, was das langfristig für den öffentlichen Verkehr bedeuten wird, bedeuten könnte? Vielleicht wird es ja so sein, dass insbesondere in der Gesundheitswirtschaft, aber auch im Verkehrsbereich, ökonomische Ziele hinter gemeinwirtschaftliche Ziele zurücktreten? Oder kürzer: "Daseinsvorsorge statt Profit?". Diese und andere Fragen werden sicher auch Thema unseres nächsten "Zwischenrufs" sein, den wir für die Zeit nach Ostern planen.
Wie geht es nun in den kommenden Monaten beim VIV weiter?
Natürlich dürfen (und wollen) auch wir uns nicht dem allgemeinen "shutdown" des gesellschaftlichen Lebens entziehen. Nachdem wir die Begehung der SIEMENSBAHN am vergangenen Wochenende absagen mussten, werden wir selbstverständlich auch nicht die Reise zur Darssbahn und nach Rostock/Warnemünde am 16./17.05.2020 durchführen. "VIV goes not Baltic" sozusagen. Abgesehen davon, dass die Reise zum jetzigen Zeitpunkt sogar verboten wäre.
Aus heutiger Sicht müssen wir davon ausgehen, dass die geplanten Veranstaltungen der nächsten Zeit ebenfalls nicht werden stattfinden können. Das betrifft insbesondere die geplanten Busrundfahrten zu den Themen "BER" am 23.04.2020, "Vom Reiz des Provisorischen - Nicht perfekte Lösungen im Sinne des Fahrgastes" am 18.06.2020, das für Juli/August geplante Railtrekking "Stillgelegte Strecken im Oderbruch und Besuch des Schiffshebewerkes Niederfinow" sowie auch "Schiff ohne Steuermann - autonom über Flüsse und Kanäle in Berlin und Brandenburg" am 24.09.2020. Alle drei Veranstaltungen waren mit Bus geplant und es ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, dass wir bis dahin wieder relativ dicht beieinander in einem Bus sitzen können. Insoweit ist das nicht verantwortbar - aus heutiger Sicht.
Und auch der für den 22.08.2020 angesetze U-Bahn-Tag wird nicht stattfinden können. Da hat die BVG momentan andere Sorgen.
Und wo bleibt nun das Positive?
Nun, alle Veranstaltungen sind grundsätzlich wiederholbar. So verschiebt sich die Reise um ein Jahr und könnte beispielsweise am 01./02.05.2021 stattfinden. Und vielleicht können wir die SIEMENSBAHN z. B. im Herbst nachholen, ggf. in kleinerer Gruppe und möglicherweise auch mit höflichem Abstand. Wir werden sehen und rechtzeitig informieren. Das gilt auch für die Veranstaltung mit S-Bahn-Chef Peter Buchner im November, wo es momentan einach noch zu früh ist, eine Prognose abzugeben. Und ansonsten arbeiten wir, so oder so, an einer Überraschungsveranstaltung, die den einen oder anderen unter Ihnen sicher sehr interessieren dürfte. So jedenfalls dürfen wir aus dem Zuspruch des vergangenen Jahres schlussfolgern. Wir schauen mal, ob es was wird ... aber auch dort gilt: zur Not eben 2021.
Für heute bleibt uns aber nur, Ihnen allen, trotz der Umstände, vor allem Gesundheit zu wünschen! Bleiben Sie bitte weiterhin vernünftig und besonnen und behalten Sie, wie es das seefahrende Volk formulieren würde, immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel! Machen wir das Beste daraus, um möglichst schnell den, wenn wir es so nennen dürfen, Schlamassel hinter uns zu lassen.
Und in eigener Sache: bleiben Sie Ihrem VIV bitte treu - auch wenn wir momentan "gegrounded" sind.
Herzliche Grüße
Michael Rothe und das VIV-Vorstandsteam
VIV-Forum: Hinter Tarifgebiet B geht's weiter - Schnittstellen nach Brandenburg
Udo Lindenberg sang einst "Hinterm Horizont geht's weiter" und es gibt sicher nicht wenige Berliner, für die das Ende des Tarifbereichs B diesen Horizont bildet. Umgekehrt ist eben jener Tarifbereich B das "Sehnsuchtsziel" für viele Brandenburger Pendler, die, mit dem Auto, den ersten Bahnhof auf Berliner Gebiet anstreben. Denn das, was, je nach Sichtweise, dahinter oder davor liegt, ist der Berlin recht großräumig umschließende Tarifbereich C. Für die einen "das unbekannte Wesen", für die anderen "zu teuer", denn das Auto ist in der Regel vorhanden und wird dann auch bis zum Bahnhof im Tarifbereich B genutzt. Und nicht der Bus.
Wer also das Glück hat, in der Nähe einer der Bahnachsen von und nach Berlin zu wohnen, hat es vergleichsweise einfach – wenn er denn Platz in den vollen Regionalzügen findet.
Was aber ist mit denjenigen, die, nur als Beispiel, von Ketzin nach Potsdam oder gar Berlin wollen? Oder Müncheberg? Oder gar peripher? Also z. B. 11 km von Schwante nach Oranienburg? Was mit denen, die von Spandau nach Ribbeck wollen, den Birnbaum besichtigen oder zur Arbeit? Und das gar am Wochenende? Sicher, es funktioniert, aber hinsichtlich der Flexibilität und der Fahrtdauer stößt man mitunter schnell an Grenzen.
Es gibt mittlerweile aber das eine oder andere "Leuchtturmprojekt", z. B. die die Brandenburger Unterzentren zunehmend verbindenden "Plus-Busse" (teils als Ersatz für stillgelegte Bahnstrecken, wie z. B. entlang der ehemaligen Brandenburgischen Städtebahn) oder das "TKS-Bussystem", das erfolgreich Teltow/Kleinmachnow/ Stahnsdorf mit den Bahnhöfen Wannsee, Krumme Lanke und Zehlendorf verbindet, aber auch schnelle und hochfrequente Verbindungen in die Landeshauptstadt herstellt.
Wie also ist es bestellt um die Schnittstellen zwischen Stadt und Umland jenseits der großen Bahnachsen? Wir freuten uns sehr, dass uns Herr Kai Dahme, Abteilungsleiter Planung beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) dazu am 27.02.2020 einiges berichtete. Wir luden deshalb im S+U-Bahnhof Alexanderplatz in den „Kaisersaal“ auf der Zwischenebene ein.
Zwischenruf: Was Anfang der 20er Jahre im Berliner Verkehr (nicht) passiert ...
"I have a dream". So beginnt eine berühmte Rede von Martin Luther King, bei der es zugegebenermaßen um Wichtigeres ging als Berlin-Brandenburger Verkehrspolitik. Aber dennoch: Das VIV-Team hat einmal seine Phantasie bemüht und ein paar Ereignisse und/oder Sachverhalte zusammengetragen, die so oder so ähnlich Anfang der 20er Jahre passieren (könnten) - oder eben auch nicht. Natürlich erhebt die Liste, keinen Anspruch auf Vollständigkeit: Ergänzungen sind herzlich willkommen!
Und wir?
Jenseits unseres Veranstaltungsprogramms haben wir uns vorgenommen, in Zusammenarbeit mit unserer Agentur die "Hintergrundtechnik" unserer Website zu modernisieren. Der Umstieg auf WORDPRESS wird das Buchungssystem verbessern und uns insbesondere die Möglichkeit geben, den Newsletter professioneller zu gestalten. Und natürlich wollen wir die Relevanz des VIV in der verkehrspolitischen Szene unserer Region weiter erhöhen - ohne uns als Konkurrenz zu anderen etablierten Organisationen zu verstehen, denn jede "beackert" dieses Feld unter einem anderen Blickwinkel. Eines haben aber alle gemeinsam als Ziel: die Stärkung des öffentlichen Verkehrs.
Und Sie?
Wenn Sie uns in 2020 weiterhin die Treue halten, freuen wir uns sehr. Sollten Sie, liebe Nicht-Mitglieder, schon mal mit dem Gedanken gespielt haben, auch ein "Verkehrserklärer" werden zu wollen, dann wäre jetzt eine gute Gelegenheit! Der Jahresbeitrag beträgt lediglich 80 € (Schüler/Studenten bis 25 Jahre 60 €) und hilft uns, die Vereinsarbeit, und das sind im Wesentlichen die Veranstaltungen, nachhaltig und stabil zu finanzieren. Und wir versprechen: "Vereinsmeierei" wird nicht geboten!
Wenn Sie also Lust haben, sind Sie herzlich eingeladen! Wir freuen uns auf neue Ideen, neue Impulse und neue Sichtweisen.
Freundlliche Grüße
Michael Rothe
Ein Zwischenruf zu bevorstehenden goldenen Zeiten im Regionalverkehr
Wir sind in der Adventszeit angekommen, die Zeit der Besinnung, der Wünsche und der langen Abende. Wir möchten Ihnen heute, z. B. für einen Adventsnachmittag, eine Lektüre vorschlagen, die Verkehrsinteressierte aufhorchen lässt. Aber lesen Sie in Auszügen selbst:
"Die Koalition ist sich einig, dass der Ausbau des öffentlichen Verkehrs Priorität hat."
…
"Das Infrastrukturprojekt "i2030" setzt Brandenburg gemeinsam mit dem Bund und Berlin um. Wir brauchen nicht nur neue Regional- und S-Bahn-Verbindungen, sondern auch Angebotssteigerungen im ganzen Land ... Dabei nutzen wir alle Möglichkeiten der Planungsbeschleunigung."
...
"Alle "i2030"-Projekte sind schnellstmöglich zur Entscheidungsreife zu bringen, zu planen und umzusetzen."
...
"Die Koalition wird das Angebot im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) durch mehr Züge, mehr Sitzplätze und eine bessere Taktung erheblich aufstocken. ... Bis dahin [Start des neuen Verkehrsvertrages im Dezember 2022, d. Verf.] nutzen wir in Zusammenarbeit mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen im Rahmen der bestehenden Verkehrsverträge alle vorhandenen Möglichkeiten, um zusätzliche Kapazitäten bereitzustellen."
...
"Für die S-Bahn in Brandenburg ist der 10-Minuten-Takt unser langfristiges Ziel. Hierfür werden eingleisige Streckenabschnitte schrittweise ausgebaut."
...
"Darüber hinaus wird die Koalition ein Reaktivierungsprogramm für weitere Schienenstrecken erarbeiten. Zunächst wollen wir dazu gemeinsam mit den Kommunen Strecken sichern und Potenzialanalysen durchführen. Um den für den Klimaschutz notwendigen Ausbau zu schaffen, nutzen wir alle Möglichkeiten der Planungsbeschleunigung. Brandenburg ... wird sich dafür einsetzen, ... die zur Verkehrswende notwendige Modernisierung und Elektrifizierung der Schienenwege als geringfügige Änderungen zu behandeln und von planungsrechtlichen Hürden zu befreien."
...
"Wir setzen uns für den Ausbau und die Elektrifizierung der Schienenverbindungen in unser Nachbarland Polen ein."
Dies ist kein Wunschzettel, sondern tatsächlich Auszüge aus dem Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung Brandenburgs (den ganzen Vertrag finden Sie hier: www.brandenburg.de/media/bb1.a.3833.de/Koalitionsvertrag_Endfassung.pdf).
Sollte es tatsächlich mit den "i2030"-Projekten spürbar vorangehen? Zeigt nun tatsächlich ein politisches Gremium eine Haltung und trifft endlich die lange ausstehenden Entscheidungen? "Haltung" meint in diesem Zusammenhang anzuerkennen, dass es die perfekte Lösung nie geben wird. Das aber darf nicht dazu führen, dass wie bisher gar nichts passiert, sondern der bestmögliche Kompromiss gefunden wird. Kompromiss ist, man muss in diesen Zeiten darauf hinweisen, nichts Schlechtes, sondern im Gegenteil, in demokratischen Entscheidungsprozessen unabdingbar!
Und Kompromisse braucht es: bei der Erschließung des Havellandes, dem Wiederaufbau der Stammbahn, dem zweigleisigen Ausbau der wichtigen S-Bahnstrecken nach Potsdam, Bernau und Oranienburg oder gar bei der Problematik "Kremmener Bahn" mit Anschluss Veltens an das S-Bahnnetz.
Und es braucht den Willen zu pragmatischen Entscheidungen, die zu spürbaren Verbesserungen im öffentlichen Verkehr bzw. zur erwünschten Verkehrsverlagerung führen. Zwei Beispiele: Werden Bahnsteige, z. B. am RE1, kurzfristig verlängert und mit vielleicht nicht perfekten, aber funktionsfähigen Gebrauchtfahrzeugen die Züge verlängert? Werden Bewohnern der Umlandgemeinden Angebote gemacht, ihr Auto eben nicht am ersten Bahnhof im Berliner Tarifbereich B abzustellen, sondern bereits viel früher oder es im besten Falle gar nicht zu nutzen?
Insgesamt finden wir dies ein bemerkenswertes Dokument und wünschen uns, dass möglichst viel von dem in der kommenden Legislatur (greifbare) Realität wird!
Ihnen, unseren Newsletter-Lesern, wünschen wir eine besinnliche Adventszeit!
Freundliche Grüße
Michael Rothe
Zwischenruf: "We have a dream ..." oder vom Geist der Improvisation
Als Provisorium ist sie fast schon legendär, die hölzerne Fußgängerbrücke am Bahnhof Yorckstraße über die gleichnamige Straße. Gebaut 1984 nach der Übernahme der S-Bahn in West-Berlin durch die BVG, sollte sie den Nutzern den Umstieg zur U7 erleichtern. Und tut es bis heute, obwohl sie nur provisorisch gedacht war. Es ist, je nach Standpunkt, zu befürchten oder zu begrüßen, dass sie das wohl noch einige Jahre bis zum Neubau des Bahnhofs im Zuge der zweiten Nord-Süd-S-Bahn tun wird.
Andere Provisorien waren von kürzerer Dauer:
Der am Bahnhof Westkreuz in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts eingerichtete Bahnsteig an den Ringbahn-Ferngleisen. Von hier aus fuhren Regionalbahnen nach Nauen, Neuruppin, Templin und an Wochenenden weiter zum (Ausflugs-)Bahnhof Fährkrug.
Der Holzbahnsteig in Michendorf, an dem 1993 nur für wenige Wochen ICE nach Berlin hielten. Weil die Elektrifizierung der Stadtbahn noch nicht fertiggestellt war, leitete man den ICE über den Außenring nach Lichtenberg, und sogenannte ICE-Shuttle übernahmen den Pendelverkehr zwischen City und Michendorf.
Ein weiteres Provisorium: am Bahnhof Bornholmer Straße, vor seinem Umbau, die Einrichtung zweier Seitenbahnsteige an der sog. Ulbricht-Kurve (das war die direkte Verbindung von der Ring- zur Stettiner Bahn entlang der Mauer). Das Ziel war, den Fahrgästen so schnell wie möglich eine Umsteigemöglichkeit zu bieten. Nicht perfekt, aber immerhin vorhanden.
Vier Beispiele aus einer längst vergangenen Zeit, in der man pragmatisch an die Dinge heranging. Und vor allen Dingen: im Sinne der Fahrgäste!
Und heute?
Eine provisorisch verlängerte RB33 von Wannsee nach Zehlendorf oder gar Steglitz? Politisch nicht gewollt, also tot. Und dabei könnte das doch ein Symbol sein, dass man es ernst meint mit dem Ausbau der Schienenwege in und um Berlin.
Provisorisch verlängerte Bahnsteige am RE1, um die im Großraum Berlin aus allen Nähten platzenden Züge verlängern zu können? Geht nicht. Ein Projekt über mehrere Jahre.
Zu wenige Wagen und Triebfahrzeuge? Man fahre beispielsweise nach Mukran auf Rügen und sieht große Mengen abgestellter Fahrzeuge. Und zwar nicht Fahrzeuge, die vierzig oder gar fünfzig Jahre auf dem Buckel haben, sondern deutlich jüngere. Vielleicht nicht klimatisiert und ohne USB-Anschlüsse. Ja klar, irgendjemand muss natürlich die notwendigen Hauptuntersuchungen und evt. erforderliche technische Nachrüstungen, wie z. B. die Notbremsüberbrückung für den Einsatz im Nord-Süd-Tunnel, bezahlen. Das ist so. Aber Fahrzeuge, Wagen, Lokomotiven und Triebwagen sind da. Man muss es im Interesse der Fahrgäste "nur" wollen. Zugegeben: das Thema Personal ist damit nicht gelöst.
Neue Busspuren? Kürzlich hieß es noch, es würden "noch 2019" mehrere Kilometer neu eingerichtet. Nun lesen wir: wird nichts, verzögert sich bis in das Jahr 2020. Warum? Keine Schilder, keine Farbe? Oder kein Wille? Und was ist mit dem Freihalten der vorhandenen Busspuren? Warum werden die Bußgelder nicht endlich so erhöht, dass sich die Egoisten, die die Busspur als freien Parkplatz ansehen, überlegen, ob der Preis nicht doch zu hoch ist? Oder diejenigen, die sie als "fast lane" benutzen, sich nicht fast sicher sein können, nicht erwischt zu werden. Was ist mit Beschleunigungsmaßnahmen für Straßenbahn und Bus an Ampeln?
Übrigens: in der Betriebswirtschaft gibt es die sogenannte "ABC-Analyse". Die besagt im Wesentlichen, dass man 80 % Nutzen mit 20 % Aufwand erzielen kann. Will sagen: mit relativ wenig Aufwand erzielt man hohen Nutzen. Und für die restlichen 20 % Nutzen "bis zur Perfektion" muss man 80 % Aufwand in Kauf nehmen. Auch hier die Erkenntnis: "provisorisch" oder besser pragmatisch kann man mit überschaubarem Aufwand einiges erreichen. Eben nicht perfekt.
Wo ist er also hin, der Improvisationsgeist der 90er, das Interesse an einfachen, pragmatischen Lösungen? Wir wissen es nicht. Leider.
Und wenn Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, noch weitere Provisorien in dem beschriebenen Sinne einfallen, dann schreiben Sie uns gerne! Vielleicht kann daraus auch eine VIV-Veranstaltung 2020 entstehen.
Freundliche Grüße
Michael Rothe
Ein Zwischenruf zur Berliner U-Bahn
Selten haben wir uns mit einem vorgesehenen "Zwischenruf" so schwergetan wie mit dem schon lange in der Planung befindlichen und auch eigentlichen fertigen zum automatischen und ggf. auch fahrerlosen Betrieb der U-Bahn.
Auslöser war der in einigen Jahren vorgesehene Umbau der beiden Linien U5 und U8 auf automatischen, aber nicht fahrerlosen Betrieb. Fachleute differenzieren in die "Grades of Automation" (GoA). So ist eine Straßenbahn in aller Regel GoA0, was schlicht bedeutet: "Fahrer/Fahrerin fährt auf Sicht". Stand der Technik ist GoA4: "automatisierter Zugbetrieb, automatisierte Türsteuerung und automatisierte Bewältigung von Notfällen. Im Zug befindet sich keinerlei Personal (unattended train operation (UTO))". Berlin will wohl auf den beiden genannten Linien GoA2 einführen, was bedeutet: "automatisierte Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, Fahrzeugführer rüstet den Zug auf und ab, kontrolliert die Türsteuerung, kann bei Bedarf den Zug selbst steuern und bewältigt Notfallsituationen (halbautomatischer Betrieb, semi-automatic train operation (STO))".
Und so entstand folgender Text:
In Abwandlung eines bereits etwas älteren Schlagers könnte man die Überschrift wählen: "Fahrerlos … durch die Nacht …".
Das autonome Fahren ist seit geraumer Zeit in aller Munde und man könnte fast den Eindruck bekommen, es sei im übertragenen Sinne schon morgen soweit. Wer in seinem Auto einen Abstandsassistenten hat, ahnt, dass es bis zum vollkommen autonomen Fahren noch ein langer Weg sein muss. Fahrzeuge, die sich im Straßenraum bewegen, müssen eben sehr, sehr viele Informationen erfassen und verarbeiten. Und dazu gehört beispielsweise nicht nur das, was das direkt vorausfahrende Fahrzeug macht, sondern auch die Fahrzeuge davor. Der Mensch kann das - jedenfalls, solange er nicht auf sein Handy starrt ...
Wir jedenfalls sind skeptisch, ob in fünf oder zehn Jahren der Verkehr tatsächlich vollautonom abläuft, wir in Großsiedlungen an jeder Stelle unsere Fahrzeuge elektrisch aufladen können und der Paketbote von der Drohne abgelöst worden ist. Von Flugtaxis ganz zu schweigen ...
Aber wie ist es mit Systemen, die sich in einem weitgehend abgeschlossenen Raum bewegen? U-Bahnen zum Beispiel.
Wer schon einmal die Nürnberger U-Bahn besucht hat (der VIV war im Mai dort), kann nur staunen. Von drei Linien fahren zwei fahrerlos; ein Mischbetrieb ist möglich. Dort, wo normalerweise der Führerstand ist, befindet sich eine Panoramascheibe; Fahrgäste bekommen im wahrsten Sinne des Wortes den Tunnelblick dargeboten. Es ist einer der beliebtesten Plätze im Zug.
Der automatische Betrieb existiert seit zehn Jahren und wurde in ein bestehendes System implementiert. Dabei wurden die Stationen nicht mit Glaswänden und -türen ausgerüstet, sondern das Gleisbett wird, Ingenieure mögen dem Autor die laienhafte Ausdrucksweise nachsehen, radarüberwacht. Fällt etwas in das Gleis und wird als Mensch identifiziert, bremst der Zug sofort. Für "Mensch" spricht beispielsweise der Wassergehalt. Wird eine große Tasche vor den Zug geworfen, bremst er nicht. Ist in der Tasche eine relevante Menge Wasser, bremst er. Unfälle hat es in den zehn Jahren keine gegeben. Springt jemand direkt vor den einfahrenden Zug, können die Grenzen der Physik natürlich nicht überwunden werden. Was der Nürnberger Verkehrsgesellschaft wichtig ist: Kommunikation! Bei jeglicher Unregelmäßigkeit, und sei es nur ein kurzer Halt im Tunnel, meldet sich die Leitstelle, um die Passagiere zu informieren.
Und was haben die Fahrgäste davon? Sehr viel, denn die Nürnberger setzen kurze Züge ein, dafür aber in sehr hoher Taktung. Personalkosten entstehen für die vielen Züge ja nicht.
Was macht nun das Verkehrskompetenzzentrum Berlin?
Spötter würden vielleicht sagen, "die schrauben wie nach dem Krieg Bretter an ihre schmalen U-Bahnen und sind froh über einen halbwegs stabilen 5-Min-Takt in der City". Man tritt den U-Bahn-Verantwortlichen sicher nicht zu nahe, wenn man feststellt, dass die Berliner U-Bahn alles andere als technisch innovativ ist. Und ja, es war die Politik, die nicht die Haushaltsmittel für neue Fahrzeuge freigab und die die U-Bahn als "So-da-Verkehrsmittel" betrachtete. Fuhr halt.
Getestet hat man im Laufe der Jahre viel: Bereits in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf der U4, dann auf der U9 (wo der Fahrer nur noch den Startknopf betätigte) und später auf der U5. Aber es waren eben immer nur Testphasen. Heute ist das vollautomatische Fahren technisch kein Problem mehr und wird in mehreren Metropolen auch gemacht.
Soweit ein Teil des ursprünglichen Textes.
Die Berliner U-Bahn wird im Februar 2020 118 Jahre alt. Jedenfalls auf ihren ältesten Streckenabschnitten. Wesentliche Teile des Netzes sind in den wirtschaftlich schwierigen zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden. Wie es um die Bauqualität der fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts bestellt ist, können Experten besser beurteilen als wir. Und eben jene Experten gaben auf diesen Entwurf und nicht zuletzt bei unserer Rundfahrt am 26.09.2019 den eindringlichen Hinweis, dass der Berliner U-Bahn auf vielen Streckenabschnitten eine Generalsanierung, insbesondere natürlich der Tunnelbauwerke, bevorstehe.
Also, allein die Automatisierung ist es nicht. Das fängt mit der Frage, ob die Bahnsteige dafür konstruktiv ausgelegt sind, an und hört beim Denkmalschutz noch lange nicht auf. Level 4 würde bedeuten, dass man ein ganzes Bestandsnetz mit Bahnsteigsperren nachrüstet. Und Bahnsteigsperre meint nicht die gute alte "Wanne", sondern den Aufbau von Wänden entlang der Bahnsteigkante, die den Weg nur freigeben, wenn ein Zug, vielleicht auch noch verschiedene Typen mit untersschiedlichen Türpositionen, zum Halten gekommen ist.
Übrigens, das Nürnberger Modell mit dem radarüberwachten Gleiskörper ist auch keine Zukunftslösung, denn, so hörten wir auf unserer Nürnberg-Reise im Frühjahr, der Hersteller wolle das System mittelfristig nicht weiter anbieten und unterhalten. Insoweit bleibt Nürnberg eine Ausnahme und wohl, leider, ein Auslaufmodell.
Man kann leicht sehen: so einfach ist es nicht. Was also tun?
Vielleicht würde ja schon einmal helfen, ein Ziel zu formulieren, was - sehr grob gefasst - z. B. so lauten könnte:
Die Berliner U-Bahn ist ein für die (Innen-)Stadt essentielles Schnellverkehrssystem. Wir wollen das teils in die Jahre gekommene System auch für die nächsten hundert Jahre fit machen und als Verkehrskompentenzzentrum Berlin den modernsten Stand der Technik, soweit er sich in einem Bestandsnetz realisieren lässt, anwenden. Dazu gehört auch der Betrieb nach GoA4, denn bei einer U-Bahn handelt es sich um ein geschlossenes System, das sich vergleichsweise leicht automatisieren lässt. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir Linie für Linie generalsanieren und technisch entsprechend ertüchtigen.
Selbstverständlich würde man heutzutage eine komplett neue U-Bahnlinie, z. B. eine Expressverbindung von Weißensee in die City, als Ergänzung zur Straßenbahn mit nur wenigen Haltepunkten nach neuesten technischen Standards bauen. Nur: ist das absehbar?
Und was ist mit den Jobs? Wenn es, siehe oben, stimmt, dass vollautomatisches Fahren in offenen Systemen, also beispielsweise Tram und Eisenbahn, noch eine Weile auf sich warten lässt, dann werden dort Fahrerinnen und Fahrer, Lokführerinnen und Lokführer dringend benötigt. Wer sich an einer zugigen Straßenbahnhaltestelle oder auf einem Regionalbahnsteig über den wegen Personalmangels ausgefallenen Zug ärgern muss, weiß, was gemeint ist.
Freundliche Grüße
Michael Rothe
Verkehrspolitische Rundfahrt: VIV-Sonderzug - i2030-Projekte hautnah
Rundfahrt auf der Schiene zu i2030
i2030, die gemeinsame Initiative der Länder Berlin und Brandenburg, der Deutschen Bahn sowie des VBB, ist der erfolgversprechende Versuch, Schienenverkehrsprojekte zu identifizieren, die in den kommenden Jahren realisiert werden könnten. Und es ist nicht nur das Definieren konkreter Korridore, wie "Potsdamer Stammbahn", "Stammstrecke Heidekrautbahn", "Siemensbahn" oder auch "Kremmener Bahn", sondern insbesondere auch, welche Bedienungsform sich unter Abwägung aller Vor- und Nachteile als die Optimale herauskristallisiert.
Ein Beispiel?
Seit mehr als zwanzig Jahren streiten die beiden Bundesländer, ob Falkensee und ggf. Nauen, nun besser mit der S-Bahn oder der Regionalbahn angeschlossen werden. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. Und auch innerhalb einer jeden Variante gibt es nun wieder verschiedene Möglichkeiten. i2030 versucht, das aufzulösen, um so der Verkehrspolitik eine Entscheidungsgrundlage zu liefern. Nur um eines kommt man nicht herum: Entscheiden!
Wir zeigten Ihnen am 29.08. ein paar i2030-Projekte hautnah. Und wie macht man das am besten? Von der Schiene aus! VIV erlebte nun also eine Premiere und machte zum ersten Mal eine verkehrspolitische Rundfahrt auf der Schiene. Zum Einsatz kam ein Dieseltriebwagen der Baureihe 628. Sie konnten Strecken bereisen, die Sie sonst als Fahrgast nicht befahren können. Highlights waren sicher die Stammbahn und die Befahrung eines Stückes der Dresdner Bahn.